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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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erwartet?«
    »Da hast du verdammt recht !« Sie griff an mir vorbei nach der Flasche und füllte ihr Glas. Dabei fiel ihr Blick auf ein gerahmtes Foto, das hinter der Bar im Regal stand. Es zeigte einen älteren, weißhaarigen Mann mit zwei jungen Frauen links und rechts. Alle drei lächelten. »Diese Luder«, zischte Terry gehässig, streckte die freie, durch kein Whiskyglas behinderte Hand aus und stieß das Foto um. Es klatschte laut aufs Holz, vielleicht zerbrach sogar das Glas im Rahmen.
    »Und ihr seid jetzt vier Jahre verheiratet?«, hakte ich vorsichtig nach, ein Versuch, in seichtere Gewässer zurückzurudern. Wenn ich meine Mission vorantreiben wollte, musste ich noch weiter in ihrem Privatleben bohren.
    »Genau.« Wieder ein Schluck Jack Daniels – ihr Aufnahmevermögen schien unbegrenzt.

    »Vielleicht ändert er seine Verfügungen noch, wenn ihr länger zusammen seid.«
    »Vier Jahre mit Donnie sind schon ein ganzes Leben, das kannst du mir glauben.«
    An Menschen wie Terry, von denen ich etliche kennengelernt habe, fasziniert mich ihr souveräner Umgang mit der Moral. Jeder begreift, wie verzweifelt Terry bei ihren grauenhaften Infomercials gewesen sein muss, als sie nicht wusste, ob sie je wieder auf einen grünen Zweig kommen würde. Da taucht aus dem Nichts dieser nette, einsame alte Mann auf, und sie heiratet ihn in der Erwartung, alles zu erben, je früher, desto besser, obwohl sie nicht den geringsten Anspruch hat. Dann erfährt sie, dass er sein Vermögen seinen beiden geliebten Töchtern hinterlassen will, genau den Menschen, die es auch erben sollten. Sie sind ihm liebevoll zugeneigt und abgesehen davon, dass sie ihre neue Stiefmutter zweifellos hassen , sicher ganz normale, vernünftige Frauen. Aber Terry und ihresgleichen gelingt es tatsächlich, diese einfachen Tatsachen so lange zu verdrehen, bis sie dank einer verqueren Logik und einem dicken Balken im eigenen Auge ein neues Bild der Wirklichkeit erschaffen. Darin sind sie die verdienstvollen, ausgenutzten Opfer, die Bedauernswerten, die jedes Recht haben, sich zu beklagen. Ich meine immer, sie müssten doch wissen, dass sie sich und andere belügen, aber nichts deutet darauf hin. Meist knicken die Freunde und Verbündeten des »Opfers« irgendwann ein, tun erst nur so, als stünden sie auf seiner Seite, und glauben schließlich selbst an dessen Recht. Mein eigenes Wertesystem hatte den Angriff jedoch schadlos überstanden, am liebsten hätte ich Donnie auf der Stelle einen Brief geschrieben und ihm meine volle Unterstützung zugesichert.
    Terrys schrille Stimme riss mich aus meinen Grübeleien in die Gegenwart zurück. »Und stell dir vor!«, legte sie von Neuem los. Ich machte mich auf einen weiteren von Donnies Freveln gefasst, den ich wohl gutheißen würde. »Er beabsichtigt sogar, Susie eine gewisse Summe zu hinterlassen.« Sie hob diese unglaubliche Ungerechtigkeit mit einer Pause hervor. »Nur mir nicht! Für mich gibt es nur ›lebenslänglichen Nießbrauch‹.« Sie spuckte die letzten Worte mit
einem fast triumphierenden Nicken aus, wie die Schlusspointe einer aberwitzigen Anekdote.
    Donnie wurde mir immer sympathischer. Erheblich sympathischer als seine Frau. »Sie ist schließlich seine Stieftochter.«
    »Das ist doch lächerlich!« Sie stieß ein gekünsteltes Lachen aus.
    »Wo ist Susie eigentlich? Lebt sie in Los Angeles?« Ich hätte voraussehen sollen, dass ich mit dieser Frage den Bogen überspannte. Es war spät, ich litt noch an einem leichten Jetlag, war vielleicht selbst ein bisschen betrunken. Und ich wollte einfach vorankommen. Meine Worte hallten im Raum nach und veränderten die Atmosphäre.
    Terry war aber alles andere als auf den Kopf gefallen. »Warum bist du hier?«, fragte sie mit messerscharfer Logik, plötzlich stocknüchtern.
    Nun muss man bedenken, dass meine Suche fast zu Ende war. Nur Terry und Candida waren noch übrig geblieben, also standen die Chancen fünfzig zu fünfzig, dass Susie das gesuchte Kind war. Ich muss gestehen, um Damians willen hoffte ich auf Candidas Kind, aber es gab keinen Grund, warum es nicht auch Susie sein sollte. Eigentlich konnte ich Terry genauso gut direkt fragen, schließlich waren wir weit weg von der Heimat. Von der Liste bräuchte ich ihr nichts zu erzählen, und falls Terry ihren damaligen Seitensprung wirklich zu einer großen Geschichte aufbauschen wollte, was ich im Übrigen bezweifelte, würde sie bei der kalifornischen Presse kaum auf Interesse stoßen. »Du

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