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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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verglastes Wohnzimmer mit einer atemberaubenden Aussicht auf die Stadt, eine Million Lichter in allen Farben, eine riesige, glitzernde Schmuckschatulle. Ein Gefühl wie beim Landeanflug. Doch die Räume hatten etwas Billiges, Schäbiges mit ihren schmuddeligen Langflorteppichen und den langen Sofas, deren beige-grauer Stoffbezug an den Armlehnen schon abgewetzt war. Ein paar unechte Antiquitäten und die Kreideskizze einer künstlich verschlankten Terry, allem Anschein nach angefertigt von einem Pflastermaler, vervollständigten die Inneneinrichtung. »Was trinkst du?«, fragte sie und wankte zur Bar.
    »Nichts, vielen Dank.«
    »Du kannst doch nicht auf dem Trockenen sitzen.«
    »Dann einen Schluck Whisky, danke. Ich nehme mir selbst.« Das schien mir vernünftiger, wenn ich keinen vollen Tumbler hingestellt bekommen wollte. Terry goss sich Bourbon ein und holte aus einem jener Geräte, die zu jeder Tages – und Nachtzeit rumpelnd Eis produzieren, ein paar Würfel heraus. »Ist Donnie auch hier?«, fragte ich.
    »Ich glaube, nicht«, antwortete sie reichlich desinteressiert.

    Keine Ehe also, in der die beiden einander ständig den Puls fühlten. Ich nippte an meinem Drink; bei dem Gedanken, dass wir allein waren, fühlte ich mich nicht ganz wohl. Schwer zu sagen, ob ich mehr Angst vor sexuellen Avancen oder vor einer Alkoholvergiftung hatte. Es war jedenfalls Zeit, behutsam auf die Geschichte von Greg und Susie zurückzukommen, die vor Donnies Rückkehr geklärt sein musste. »Wie lange bist du diesmal schon verheiratet?«
    »Ungefähr vier Jahre.«
    »Wie habt ihr euch kennengelernt?«
    »Er ist Produzent. Beim Fernsehen«, fügte sie rasch hinzu, um ihren Mann als aktiven Produzenten von den übrigen Stadtbewohnern abzugrenzen. »Ich mache diese Sendungen, in denen über Produkte diskutiert wird …«
    »Ich weiß. Infomercials.« Ich lächelte im Glauben, ich hätte ihr demonstriert, wie beschlagen ich im modernen Fernsehjargon war.
    Aber sie sah mich an, als hätte ich sie geohrfeigt. »Ich hasse dieses Wort!« Nach dem Restaurantkrieg war sie jedoch erschöpft und hatte keine Energie für neue Auseinandersetzungen. Stattdessen trank sie einen Schluck Whisky. »Ich sehe mich lieber als Repräsentantin des Verbrauchers«, sagte sie mit würdevollem Ernst, als erwartete sie, dass ich das für bare Münze nahm. Nach einer gebührenden Pause fuhr sie fort: »Ich war eine Weile mit Donnie zusammen, dann hat er mir einen Antrag gemacht, und ich dachte, ach, was soll’s.«
    »Dann auf euch!« Ich hob mein Glas. »Ich hoffe, du bist sehr glücklich.«
    Wieder trank sie einen Schluck und lehnte sich in die Polster zurück. Sie war nun so entspannt, dass sie ihren Schutzschild sinken ließ, und bald erfuhr ich, was ich schon geargwöhnt hatte: Nein, sie war nicht sehr glücklich. Im Gegenteil, von Glück konnte keine Rede sein. Donnie, so schien es, war erheblich älter als sie; er ging wohl auf die siebzig zu. Auch war sein Vermögen weniger groß, als sie zunächst Anlass hatte zu glauben, »was mich sehr verletzt hat«, und das Schlimmste, er hatte zwei Töchter, »die ihm nicht von der Pelle rücken«.
    »Was heißt das konkret?«

    »Sie rufen ihn ständig an, wollen ihn dauernd sehen. Ich weiß genau, dass sie bloß hinter seinem Geld her sind, wenn er stirbt.«
    Darauf etwas zu sagen fiel mir schwer. Der Wunsch der Töchter, ihren Vater zu sehen, schien mir durchaus nachvollziehbar, und dass sie ein Erbe erwarteten, wenn er das Zeitliche segnete, war nur natürlich. Das hieß nicht, dass sie ihn nicht liebten. »Wenigstens wollen sie sein Geld nicht schon vorher«, wagte ich einzuwenden.
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Du verstehst mich nicht. Ich brauche das Geld. Ich habe es verdient .« Sie war nun blau wie ein Veilchen, kein Wunder nach dem ganzen Chardonnay, Merlot und Jack Daniels, die ihre Kehle hinuntergeflossen waren.
    »Sicher hat er vor, dir einen gerechten Anteil zu geben. Frag ihn doch.«
    »Er hat vor, mir lebenslänglich die Zinsen für die Hälfte seines Vermögens zu überlassen, das nach meinem Tod dann an seine Töchter fällt.«
    Aus ihrem Mund klang das wie ein Verbrechen wider die Menschlichkeit, während mir die Regelung als überaus vernünftig, sogar großzügig erschien. Aber so weit wollte ich mich nicht vorwagen, schließlich war ich ein Freund Terrys und nicht Donnies, daher konnte er nicht auf meine Hilfe zählen. Ich entschied mich für: »Du hast dir etwas anderes

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