Eine Klasse für sich
dieses Phänomen in den Diskotheken, als ich schon nicht mehr hinging. Ich wusste gar nichts von dieser neuen Mode, bis sie von ganz normalen Vierzig-, Fünfzigjährigen übernommen wurde; sie fingen an, Partys zu geben, die zu den
schlimmsten der Geschichte zählen müssen. Nachtclubs, in denen man bei Musik plaudernd herumsaß, werden oft nur mit den Dreißiger – und Vierzigerjahren in Verbindung gebracht – man denkt an Männer und Frauen in Abendgarderobe, die im Mirabelle saßen, zu Ken Snakehips Johnson und seiner Band tanzten und an White Ladys nippten. Aber wie so viele Klischees ist diese Vorstellung falsch. Auch zu meiner Zeit gab es Clubs, wo wir sowohl essen und uns unterhalten als auch tanzen konnten, was ich sehr genoss.
Haddy’s war im Grunde kein echter Nachtclub, sondern mehr für Leute gedacht, die sich Besuche in Nachtclubs nicht leisten konnten. Das Haddy’s, das Angelique’s oder das Garrison sind heute vergessene Namen, aber damals hatten diese Lokale jeden Abend Hochbetrieb. Mit ihrem schlichten Angebot füllten sie wie alle erfolgreichen Neuerungen eine Marktlücke. Die Speisekarte war rustikal-französisch, damals eine Novität; dazu kam die relativ junge Erfindung, dass nicht zu Livemusik getanzt wurde, sondern zu Schallplatten, die von einer Art DJ aufgelegt wurden, ein Beruf, der damals noch in den Kinderschuhen steckte. Der Wein war meist minderwertige Plörre, vor allem der Wein, den wir jüngeren Gäste bestellten, aber der Wirt rechnete nicht damit, einen Tisch mehr als einmal pro Abend zu vergeben. Nach dem Essen hingen wir bis in die frühen Morgenstunden herum, tranken und diskutierten über alles, was unsere erregbaren Gemüter erhitzte, Abend für Abend, ohne deshalb scheele Blicke von den Lokalinhabern zu ernten. Besonders geschäftstüchtig konnten diese Leute nicht gewesen sein; kein Wunder, dass ihre Lokale keinen Bestand hatten.
Als ich Serena Gresham an jenem Abend sagte, wohin wir gehen wollten, kam sie zu meiner Überraschung mit. Sonst nahm sie solche Pläne immer nur höflich zur Kenntnis, verzog bedauernd den Mund und sagte seufzend, sie wünschte, sie könnte auch dabei sein. Aber diesmal dachte sie kurz nach und meinte dann: »Na schön. Warum nicht?« Das klang nicht gerade überschwänglich, aber mir flatterten die Schmetterlinge im Bauch. Lucy war mit von der Partie, ein vergeblicher Versuch, ihren gefürchteten Verfolger Philip abzuschütteln – kaum hatte sie ihren Chauffeur nach Hause entlassen, bot Philip
an, sie zu fahren. Damian kam natürlich auch mit, dazu eine mir noch unbekannte Schöne, Joanna Langley, eine hinreißende Hollywood-Blondine, die aber nicht viel zu sagen wusste. Ich hatte läuten hören, sie sei sehr reich, eines der reichsten Mädchen des Jahres, wenn man sie denn nach neuerem Verständnis zum Debütantinnenkreis zählen wollte. Ihr Vater hatte einen Versandhandel für Freizeitkleidung oder Derartiges gegründet, und während sein Geld garantierte, dass niemand seiner Tochter irgendwelche Unhöflichkeiten ins Gesicht sagte, wurden hinter ihrem Rücken ganz andere Töne laut. Mir persönlich war sie auf Anhieb sympathisch. Sie saß zu meiner Linken.
»Wie findest du’s denn?«, fragte sie, als ich ihr Wein einschenkte.
Ich war nicht sicher, ob sie das Essen meinte oder die Saison, und tippte mal auf Letzteres. »Eigentlich recht amüsant. Ich habe noch nicht viel unternommen, aber unser Jahrgang kommt mir ganz nett vor.«
»Und du, Joanna?« Die Frage kam von Damian, der weiter unten am Tisch saß. Ich sah, wie er seinen Scheinwerferblick auf Joanna richtete. Offensichtlich wusste er genauso gut wie ich, wer sie war. Sie schrak leicht zusammen, dann nickte sie.
»Bisher ganz gut. Und du?«
Er lachte. »Ach, ich gehöre doch gar nicht dazu. Da kannst du ihn fragen.« Er deutete scherzhaft mit dem Kinn auf mich.
»Was willst du denn, du bist doch hier, oder?«, erwiderte ich ziemlich barsch. »Was, glaubst du, haben wir anderen für Qualifikationen? « Das war nicht ganz redlich, was mich aber nicht bekümmerte, denn einen Dämpfer konnte ich ihm ohnehin nicht verpassen.
»Lass dir nichts vormachen.« Damian konzentrierte sich wieder voll auf Joanna. »Ich bin ein ganz gewöhnlicher Junge aus einer ganz gewöhnlichen Familie. Ich gehöre überhaupt nicht zu diesen Kreisen, aber ich dachte, es wäre doch ein Spaß, sich mal darin umzusehen. « Er wog seine Worte sorgfältig ab wie alles, was er sagte, und heute begreife ich,
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