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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Bewunderung.
    Lucy sah meinen Blick und lächelte vor sich hin. »Was ist denn so lustig?«, fragte ich.
    »Bis heute Abend hast du dich wohl für Damians Beschützer
gehalten. Aber ich vermute stark, du kannst dich glücklich schätzen, wenn du dich am Ende der Saison als sein Chronist betätigen darfst.« Sie beobachtete das Paar auf der Tanzfläche, und ihr Gesicht wurde wieder ernst. »Wenn du bei ihr landen willst, würde ich an deiner Stelle nicht mehr allzu lange warten.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Er ist gar nicht ihr Typ. Ich zweifellos auch nicht. Aber er ganz bestimmt nicht.«
    »Das sagst du nur, weil du sie idealisierst und glaubst, er wäre ihr in jeder Hinsicht unterlegen. Vielleicht hast du recht, aber du sagst das, weil du verliebt bist. Sie selbst denkt sicher nicht so.«
    Da betrachtete ich das Paar genauer. Gerade lief eine langsame Schnulze, und die beiden wiegten sich hin und her in jenem Stehblues, den wir damals alle tanzten. Ich schüttelte wieder den Kopf. »Du irrst dich. An ihm ist nichts, was ihr gefallen könnte.«
    »Im Gegenteil. Er verkörpert genau das, was ihr gefällt. Sie hält nicht nach Herkunft oder Geld Ausschau. Beides hat sie von Geburt an in Hülle und Fülle. Und ich bezweifle, dass sie allein auf gutes Aussehen fliegt. Aber Damian …« Wieder blieb ihr Blick an dem dunklen Kopf hängen, der die meisten Tanzenden überragte. »Damian hat das eine, was ihr fehlt. Was übrigens uns allen fehlt.«
    »Und das wäre?«
    »Er ist ein Gegenwartsmensch. Er wird die Spielregeln beherrschen, die in der Zukunft gelten, nicht die alten von früher. Und das ist ein sehr beruhigender Gedanke.« Genau in diesem Moment beugte sich Philip über sie und forderte sie hoffnungsvoll auf, aber sie ließ ihn mit einem Nicken in meine Richtung abblitzen. »Er hat mich schon vorhin gefragt, und ich habe zugesagt.« Lucy erhob sich, und gehorsam begleitete ich sie auf die Tanzfläche.

Lucy

3
    Die Liste, die ich beim Schlafengehen auf meinem Kopfkissen fand, war nicht lang. Dennoch hielt sie einige Überraschungen bereit. Sie umfasste fünf Frauen, die offenbar mit Damian geschlafen hatten, bevor er in jenem Urlaub unter der heißen Sonne Portugals seine Fruchtbarkeit verlor, und in der fraglichen Zeitspanne ein Kind zur Welt gebracht hatten. Lucy Dalton war darunter, was mich ein wenig traurig stimmte. Von ihr hatte ich etwas anderes erwartet, da sie Damians Verstellung als eine der Ersten durchschaut hatte. Joanna Langley überraschte mich weniger. Ich hatte die Romanze zwischen den beiden bereits damals bemerkt, sie schienen mir gut zusammenzupassen. Ich hatte mich sogar gewundert, warum nichts daraus geworden war. Nun würde ich es wohl herausfinden. Wen ich nicht unter Damians Eroberungen erwartet hätte, war ihre Königliche Hoheit Prinzessin Dagmar von Moldau, ebenso wenig unseren rotgesichtigen, schrillen, männermordenden Vamp der damaligen Tage, Candida Finch, die ich überhaupt nicht für seinen Typ gehalten hätte. Du lieber Himmel, er war ganz schön herumgekommen, das ließ sich nicht leugnen. Terry Vitkov dagegen war ein Routineeintrag auf vielen Eroberungslisten jenes Jahres, auch der meinen. Die Abenteurerin aus dem amerikanischen Mittelwesten hatte weniger Geld, als sie gern glauben machte, und war nur nach London gekommen, weil sie in Cincinnati bereits alle gesellschaftlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hatte. Ihre sexuelle Freizügigkeit, die schon das nächste Jahrzehnt vorwegnahm, bescherte ihr eine wohlwollende Aufnahme. Zumindest bei den Männern.
    Die Liste war übersichtlich gegliedert, neben jedem Namen stand der aktuelle Nachname und, wo eine Klärung nötig war, der Name des Ehemanns. Dann folgten Name, Geschlecht und Geburtsdatum besagten Kindes und ein kurzer Hinweis auf weitere Kinder in
der Familie. Die letzte Spalte enthielt die Adresse, in manchen Fällen zwei oder sogar drei, mit Telefonnummern und E-Mail-Adressen, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich hier viel übers Internet abwickeln ließe. Ich hatte mit keiner dieser Frauen mehr zu tun, aber das Wenige, was mir bekannt war, deckte sich mit diesen Informationen. An das Blatt war mit einer Büroklammer ein Umschlag angehängt. Er enthielt wie angekündigt eine auf meinen Namen ausgestellte Platin-Kreditkarte.
    Ich frühstückte allein, umgeben von allen renommierten Zeitungen der Welt, akkurat am anderen Tischende ausgelegt. Der Butler erkundigte sich, ob er packen könne oder ob es

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