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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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glücklichere Zeiten zu erinnern. Schlimmer noch, ich hatte sie dazu gebracht, mir Dinge über ihr jetziges Leben zu gestehen, die sie gern unter Verschluss hielt, sogar vor sich selbst. Ich hatte meine Gründe, aber grausam war es trotzdem.
    Jedenfalls drängte sie nicht weiter, trat zurück und wartete höflich, bis ich losgefahren war.

Serena

7
    Auf dem Weg zur Autobahn hatte ich mich verfahren und blieb in London prompt im abendlichen Berufsverkehr stecken. Deshalb dauerte die ganze Unternehmung länger als geplant, und ich kam erst kurz vor acht zu Hause an. Bridget war schon da und hatte inzwischen eine halbe Flasche Chablis geleert, was aber, dem lautem Geklapper nach, mit dem sie in der Küche herumhantierte, ihre Laune nicht gehoben hatte. Ich weiß nicht, warum ich nie in Frage stellte, dass sie immer für mich kochte, nachdem sie sich den ganzen Tag im Büro mit wichtigen Entscheidungen herumgeschlagen hatte. Ich selbst dagegen trödelte die meiste Zeit nur herum und füllte die Stunden, in denen ich auf Inspiration wartete, mit unnötigen, an den Haaren herbeigezogenen Beschäftigungen. Zu meiner Verteidigung möchte ich vorbringen, dass sie nie dagegen protestiert hat. Wenn ich mit der Verköstigung an der Reihe war, gingen wir essen. Wenn sie dran war, kochte sie. Manchmal nimmt man die Dinge eben einfach so hin.
    »Dein Vater hat angerufen«, sagte sie. »Er bittet um einen Rückruf. «
    »Worum geht’s denn?«
    »Das hat er mir nicht mitgeteilt, aber er hat es zweimal versucht, und beim zweiten Mal klang er ziemlich verärgert, weil du immer noch nicht zurück warst.«
    Irgendwo lauerte da ein nebulöser, völlig aus der Luft gegriffener Vorwurf. »Ich kann mir den Tag nicht nach eventuellen Anrufen meines Vaters einrichten.«
    »Mich brauchst du nicht anzuraunzen.« Sie zuckte mit den Achseln und kehrte in die Küche zurück. »Ich bin nur der Bote.« Nicht zum ersten Mal fiel mir der Riesenfehler auf, den in kriselnden Beziehungen
jeder Zweite macht, unabhängig von Geschlecht, Gesellschaftsschicht, Nationalität, Rasse oder Alter: Alles wird zu kleinen Dramen hochstilisiert. Man zeigt sich übellaunig, kritisch und ewig unzufrieden. »Warum machst du andauernd dies oder jenes – muss das sein?«, wird da gefragt. »Hörst du auch zu? Sonst kriegst du das nie auf die Reihe!« Oder: »Sag bloß, du hast das schon wieder vergessen! «
    Da ich selbst nicht zu dieser Fraktion gehöre, fällt es mir schwer, die Gedankengänge dieser Leute nachzuvollziehen. Glauben sie ernsthaft, sie können ihren Partner durch forderndes, gereiztes Herumgenörgel zu größeren Anstrengungen zwingen? Wenn ja, dann täuschen sie sich gewaltig. Sie stellen damit dem anderen nur den Freibrief aus, sich aus der Beziehung zu verabschieden. Je unzufriedener sie sind, desto schneller werden ihre düsteren Prophezeiungen wahr. Hört man zum ersten Mal diesen dick aufgetragenen Seufzer: »Vermutlich wird wieder mal von mir erwartet, dass ich das wegputze«, dann weiß man, es ist nur noch eine Frage der Zeit. Kurioserweise ist es am schwersten, mit Partnern Schluss zu machen, die immer zufrieden mit einem waren. Eine glückliche Geliebte zu verlassen, ihr das Herz zu brechen, ist hart und gemein; man lädt damit eine nicht geringe Schuld auf sich. Einen Dauernörgler abzuservieren, scheint dagegen nur ein Gebot der Logik.
    Das klingt natürlich, als ließe sich problemlos der Mut aufbringen, eine Beziehung zu beenden, deren Haltbarkeitsdatum überschritten ist. Vielen fällt das trotzdem schwer. Sie reden sich ein, es wäre nett, ehrenwert oder erwachsen, sich weiter abzumühen. Dabei ist es lediglich ein Zeichen von Schwäche. Ich rede nicht von problematischen Ehen oder Paaren mit Kindern. Aber wenn man einfach nur zusammenlebt, ist es schlichtweg feig, sich mit einer solchen Schieflage abzufinden. Sind wir einmal zu dem Schluss gekommen, neben dem oder der will ich nicht sterben und begraben sein, dann sind die Jahre, die wir danach noch mit diesem Partner verbringen, verschwendet – warum schieben wir die Trennung hinaus? Liegt es an falsch verstandener Güte, grundlosem Optimismus oder einfach nur daran, dass wir zusammen mit den Grimstons ein Ferienhaus
für den ganzen August gebucht haben und sie nicht hängen lassen können? Oder gar an Bedenken der Art: Wo soll ich denn mit meinem ganzen Zeug hin? Das spielt doch alles keine Rolle! Wenn die innere Stimme einmal gesprochen und geurteilt hat, ist jeder Tag, an dem man

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