Eine Klasse für sich
Name, den er kaum am Taufbecken erhalten hatte; die Verbindung zum herzoglichen Haus von Manchester, die er so gern anklingen ließ, fand ich nirgendwo bestätigt. Ich lernte ihn überhaupt nur kennen, weil er mit Jennifer Bond verheiratet war, einer reizenden Romanschriftstellerin, die ebenfalls für meinen Verleger arbeitete. Vor ein paar Jahren hatten wir zusammen eine Lesereise gemacht und uns dabei angefreundet. Mir war nicht klar, wie Tarquin Montagu zu seinem Geld gekommen war, da er nie durch ein spektakuläres Bauwerk von sich reden gemacht hatte. Jedenfalls lebte er in einem Stil, um den ihn Vanbrugh, der Architekt des Blenheim Palace, beneidet hätte. Ein paar Jahre vor unserem Besuch hatte er eine prachtvolle Halbruine in der Nähe von Thirsk erworben, Malton Towers.
Der neugotische Bau aus der Regency-Zeit war nach dem Krieg von der Familie aufgegeben und dem traurigen Schicksal überlassen worden, das solchen Häusern in jenen Jahren oft beschieden war: Erst beherbergte es ein Internat, dann eine Berufsfachschule, dann ein Altersheim, irgendwann ziemlich sicher auch eine »Finishing School«, mit Schwerpunkt Nouvelle Cuisine . Mitte der Neunzigerjahre machte es als »Weltzentrum« für eine etwas zweifelhafte Spätauflage der transzendentalen Meditation von sich reden und zog unter anderen die Mitglieder einer bekannten Boygroup an. Dieser letzten Reinkarnation des Hauses stand ein zwielichtiger Guru vor, der sich auf die Autorität und Unterstützung des Dalai Lama berief. Doch eines Tages enthüllte die Regenbogenpresse, dass der Mann ganz und gar nicht in höheren Sphären schwebte, wie seine ernsthaften Anhänger geglaubt hatten, sondern ein alter Schwindler aus Pinner war, vorbestraft wegen Ladendiebstahls, Autodiebstahls und Versicherungsbetrugs.
Seiner Entlar vung folgte ein Massenexodus der Getreuen, kurz darauf der Auszug ihres wenig durchgeistigten Führers. In den nächsten acht Jahren pfiff der Wind durch die staubigen Korridore, die Dachkammern der Dienstboten und die ehemaligen Salons des verfallenden Prunkbaus, bis buchstäblich in letzter Minute Tarquin auftauchte. Für das Haus war das sicher eine gute Sache. Ob es Jennifers Lebensqualität genauso verbesserte, möchte ich bezweifeln.
Die Erfolgreichen, die das Leben des Adels so gern nachahmen, nehmen sich dafür eine ganz bestimmte Epoche zum Vorbild. Wenig Reize hat der eher saloppe Tagesablauf, dem ein Aristokrat im achtzehnten Jahrhundert folgte; er schlief im Sitzen, frühstückte um zwölf Uhr vor dem Ausritt klebrige Schokolade, kleidete sich weder für die Jagd noch für gesellschaftliche Aktivitäten um, speiste um fünf Uhr nachmittags, leerte abends drei bis vier Flaschen Portwein und teilte auf Reisen das Bett häufig mit seinem Diener, während sich seine Gattin an ihre Zofe kuschelte. Für den modernen Millionär kein attraktives Modell. Genauso wenig würde er den noch raueren Sitten des sechzehnten Jahrhunderts nacheifern wollen: Die mangelnde körperliche Hygiene und die Politik brächten heute selbst den Stärksten um. Nein, der mustergültige Lebensstil wurde von den Spätviktorianern entwickelt, begnadete Talente, wenn es darum ging, Vornehmheit mit Bequemlichkeit zu paaren: Majestät und Ehrerbietung verbanden sich mit Wärme und zugfreien Schlafräumen, Prachtentfaltung mit dicken Teppichen und gefütterten Vorhängen – und die von den Dienstboten servierten Speisen waren tatsächlich heiß.
Leider erfordert ein solcher Lebensstil viel, viel mehr Geld, als sich die meisten modernen Nachahmer vorstellen. Sie rechnen herum, und es scheint zu reichen, um das Haus zu modernisieren, den Garten in Ordnung zu bringen und ein freundliches Dienstmädchen einzustellen. Also stürzen sie sich in das Abenteuer. Doch diese Schlösser waren als Verwaltungssitze für viele tausend Hektar einträglichen Lands erbaut worden, als Schaufenster riesiger Vermögen, die im Handel und in Manufakturen steckten und der Öffentlichkeit verborgen blieben, aber wie Maulwürfe eifrig im Untergrund arbeiteten.
Denn diese Häuser verschlingen Geld. Sie fressen es, wie Riesen im Märchen kleine Kinder fressen.
Wenn die wirklich Superreichen solche Landsitze kaufen, dann haben sie sicher ihren Spaß daran, und auch wenn sie nicht lange dort wohnen bleiben, profitieren die Häuser von ihrem Gastspiel. Die Schwierigkeiten fangen an, wenn die Käufer zu den nicht ganz so Reichen gehören, sondern nur knapp über die Runden kommen. In der Regel
Weitere Kostenlose Bücher