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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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sind lebensfeindlich, Energieräuber, wandelnde Löschdecken, die jedes Engagement ersticken. Als Gastgeber sind sie unerträglich, vor allem, wenn sie ins Restaurant einladen, denn mit ihrem Benehmen sowohl den Kellnern als auch ihren eigenen Gästen gegenüber vergiften sie die Atmosphäre. Sie können niemanden bewundern, der erfolgreicher ist als sie. Sie können sich mit den Freunden ihrer Lebenspartner nicht entspannt unterhalten, denn diese Fremden wollen ihre Überlegenheit vielleicht nicht anerkennen. Sie können nicht loben, denn Lob spricht einem anderen Menschen Wert zu; Kontrolle aber beruht darauf, bei anderen jedes Selbstwertgefühl zu unterdrücken. Vor allem aber sind Kontrollsüchtige langweilig. Unvorstellbar langweilig. Zum Wahnsinnigwerden langweilig. Trotzdem kenne ich Frauen, die solche Männer geheiratet haben, kluge, interessante Frauen, gut aussehende, geistreiche Frauen, hart arbeitende und erfolgreiche Frauen, die sich von diesen öden, tyrannischen Kleingeistern haben blenden und beherrschen lassen. Warum bloß? Was steckt dahinter?
    »Ist für morgen etwas geplant?«, fragte Bridget, die inzwischen vor Kälte blau angelaufen war, mit einem munteren Blick in die Runde.
    »Kommt darauf an«, sagte Tarquin.
    Aber Jennifer hatte keine Lust zu erfahren, worauf es Tarquin ankam. »Erst für den Abend; wir dachten, wir könnten uns ein Benefizfeuerwerk ansehen, das auf einem Herrensitz in der Nähe stattfindet. Die Tickets dafür haben wir schon, wir können also jederzeit hingehen. Wir nehmen ein Picknick mit, und es gibt ein Konzert. Das könnte ganz nett werden, wenn es nicht regnet.«
    »Sollen wir uns von etwas so Unerheblichem wie dem Wetter einschränken lassen?« Tarquin schlug einen dunklen, aufgesetzt geheimnisvollen
Ton an, vermutlich um das Gespräch wieder an sich zu reißen, aber Jennifers glasklare Antwort hatte uns ermutigt, und wir fuhren fort, als hätte er nichts gesagt.
    »Ja, gerne.«, sagte Bridget, und damit war die Sache geregelt.
    Irgendwie brachten wir auch diesen Abend zu Ende, in der Bibliothek, die wirklich einmal sehr schön gewesen sein musste. Davon zeugten noch die prachtvollen Mahagoniregale aus der späten Regency-Zeit, die von den Plünderungen der Nachkriegsjahrzehnte verschont geblieben waren. Ich war überrascht, dass der falsche Guru sie während seiner Amtszeit oder nach seinem Sturz nicht verkloppt hatte. Natürlich war der ursprüngliche Buchbestand verschwunden und Tarquins Versuch, ihn zu ersetzen, hoffnungslos inadäquat. Er hatte sich mit vielbändigen Buchreihen beholfen wie den Geschichten aus dem Empire , in rotes Kunstleder gebunden und maschinell geprägt, aber wenigstens gab es jede Menge davon, und sie füllten die Regale, die von Weitem wieder einigermaßen eindrucksvoll wirkten. »Wo ist dieses Haus? Wo fahren wir morgen hin?«, fragte Bridget, bevor Jennifer mit dem Kaffeetablett zurückkehrte.
    Tarquin zog die Augenbrauen hoch und zögerte seine Antwort dramatisch hinaus. »Das werdet ihr schon sehen.«
    Mein Seufzer war sicher nicht zu überhören.

8
    Und so ahnte ich erst, als wir schon fast da waren, welches Ziel wir ansteuerten. Ich erkannte die Abzweigung von der Hauptstraße zunächst nicht wieder. Zu meiner Zeit war die Straße noch nicht vierspurig gewesen, und auch die moderne Siedlung mit der kränklich gelben Straßenbeleuchtung hatte es noch nicht gegeben. Aber als wir ins Dorf kamen, fiel allmählich der Groschen. Der alte Dorfkern war noch intakt, sogar etwas herausgeputzt. Das Pub jedenfalls war viel schicker geworden und nun zweifellos auch auf Yuppies auf Wochenendtrip eingestellt, nicht mehr nur auf die durstigen Landarbeiter, die sich vor vierzig Jahren im Schankraum drängten. Wir fuhren daran vorbei, und schon ein paar Minuten, nachdem wir das Dorf hinter uns gelassen hatten, erblickte ich das vertraute kleine Pförtnerhäuschen im Palladio-Stil. Hinter etlichen anderen Fahrzeugen bogen wir durch die Tore auf die private Zufahrt ein und erfreuten uns am satten Knirschen des Kieses unter den Rädern.
    Aber ich sagte nichts. Nicht einmal zu Bridget, die das Haus ja nicht kannte und überhaupt nicht viel über mein Leben wusste, als ich noch öfter hier zu Gast gewesen war. Ich versprach mir nichts davon, die Beziehung zu Serenas Eltern wiederzubeleben, wenn ich an meine letzte Begegnung mit ihnen dachte. Ziemlich sicher hatten die Greshams jenes Dinner nicht vergessen; so etwas erlebt man nicht alle Tage. Gott sei

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