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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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wichtig! Ich spreche vom spirituellen Hintergrund, mit dem Sir Barry sich an die Planung machte.«
    »Im gotischen Stil«, murmelte ich.
    »Kann ich zur Toilette? Ich platze fast«, sagte Bridget, und wie so oft in weiblicher Gesellschaft fragte ich mich, warum mir das nicht selber eingefallen war.
    »Natürlich«, sagte Jennifer. »Ich zeige euch euer Zimmer.« Sie warf ihrem Mann einen schneidenden Blick zu, ging uns voran zur Tür hinaus und blieb in der Eingangshalle stehen, damit wir unser Gepäck aufsammeln konnten. Dass wir Tarquins wissenschaftliche Abhandlung einfach so abwürgten, ärgerte ihn dermaßen, dass er stumm schmollend in der Bibliothek zurückblieb und uns finster nachsah, als wir die hochherrschaftliche Doppeltreppe hinaufstiegen.
    »Du lieber Gott!« Ich ließ ich mich rücklings aufs Bett fallen und stieß einen lauten Seufzer aus, den Jennifer hoffentlich noch auf dem Treppenabsatz hören würde – wahrscheinlich nicht zum ersten Mal. »Ich glaube nicht, dass ich das ein ganzes Wochenende lang aushalte. « Das Bett selbst war ein Himmelbett mit vier Pfosten, auf den ersten Blick ein prachtvolles spätviktorianisches Stück, auf den zweiten aber ein billiges Exportprodukt, grob geschnitzt und eindeutig um des Gesamteindrucks willen erworben – eine echte Antiquität konnten sich die Montagus vermutlich nicht leisten. Mir war bereits aufgefallen, dass die gesamte Einrichtung des Hauses in dieses Raster passte: oberflächlich eindrucksvoll, aber bei genauerer Betrachtung enttäuschend wie ein schönes Bühnenbild, das man vom Zuschauerraum aus bewundert, aber nicht zu genau inspizieren darf. Das Ganze war ja eine Kulisse, vor der Tarquin seine persönlichen Fantasien von edler Geburt und erlesener Kultiviertheit in Szene setzte. O je.

    Abends, als wir uns zum Essen im düsteren, kahlen Speisesaal einfanden, wurde es nicht besser. Bridget fröstelte unter ihrem dünnen Schal. Die Saalmitte wurde von einem riesigen Tisch beherrscht, Anfang siebzehntes Jahrhundert, und als wir hereinkamen, hörte ich Tarquin herumnörgeln, weil nur an einem Ende gedeckt war und wir vier nicht rings um den ganzen Tisch verteilt sitzen würden wie in gewissen Fernseh-Historienschinken, deren absolut ignorante und von Vorurteilen geblendete Regisseure einer fiktiven Oberschicht völlig abstruse Sitten verpassen. »Wenn du schon einen Vortrag hältst, dann möchte ich gern etwas davon mitkriegen und nicht nur sehen, wie sich deine Lippen bewegen«, sagte Jennifer und setzte dem Wortwechsel damit ein Ende. Wir nahmen unsere Plätze ein, Tarquin selbstverständlich am Kopfende. Er musterte uns und fingerte unschlüssig an einer Flasche Weißwein herum, ein leichtes Lächeln um die Mundwinkel. »Schenk ein«, murmelte Jennifer, während sie Teller mit exotisch aussehender Suppe verteilte.
    »Ich bin nicht sicher, ob sie den Wein verdienen.« Tarquin zwinkerte uns schrullig an. »Wie auch immer, ich habe ihn nun einmal ausgewählt. Ein ziemlich ungewöhnlicher Sauvignon, gleichzeitig spröde und spritzig, den ich nur zu besonderen Gelegenheiten serviere. Ist das eine? Ich weiß noch nicht so recht.«
    »Jetzt schenk den verdammten Wein schon ein«, sagte Jennifer und sprach damit genau meine Gedanken aus. Sie ließ sich schwer auf den Stuhl zur Linken ihres Mannes sinken, neben mich und gegenüber von Bridget, und begann ihre Suppe zu löffeln. Tarquin erwiderte nichts. Das rebellische Murren seiner Frau häufte sich wohl in letzter Zeit. Wie ein fantasieloser König war er durch den Angriff auf seine Autorität verwirrt und hatte Mühe, ihn zu parieren. Einen Augenblick lang saß er stumm und ernüchtert da. Dann stand er auf und goss uns den heiligen Nektar in die Gläser.
    Dabei fing ich kurz Jennifers Blick auf, doch sie wandte sich ab, noch nicht ganz zu dem Eingeständnis bereit, dass sie in einer grauenhaften Ehe mit einem furchtbaren Langweiler festsaß. Ich konnte sie gut verstehen und maßte mir auch keine Sekunde lang an, alles über die beiden zu wissen. In einer Ehe, in jeglicher Form des Zusammenlebens
spielen viele Faktoren eine Rolle, und dass jemand auf Partys schnell zu streiten anfängt oder den besten Freund des Partners hasst oder nicht in der Lage ist, eine Anekdote zu erzählen, und koste es sein Leben, wiegt nicht unbedingt schwerer als die Vorteile der Beziehung. Allerdings ist eine Ehe mit einem zwanghaften Kontrollfanatiker für den Außenstehenden schwer zu begreifen. Echte Kontrollsüchtige

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