Eine Koelner Karriere
sich mit Walter Kress anlegten: in der Versenkung.
Die Spedition Zosch lag im Industriegebiet von Neuehrenfeld, nur einen Katzensprung von der A 57 und der großzügig umgrünten Zentrale der GEW entfernt. Markesch hatte im Café Regenbogen sein traditionelles Kaffee- und Scotchfrühstück eingenommen, Einstein Juniors Hochgeschwindigkeitstaxi bestiegen und nach einer nervenzerfetzenden Kamikazefahrt durch den Berufsverkehr das weitläufige Speditionsgelände erreicht. Unterwegs hatte er mit einem Extrawhisky das revolutionäre Feuer in sich gelöscht, damit er nicht zur Unzeit vergaß, wer sein Brötchengeber war. Schließlich war er nicht der Robin Hood der Politikverdrossenen, sondern Privatschnüffler und auf jede Mark angewiesen, die ihm seine Klienten zahlten.
Er lebte von dem Ruf, diskret, erfolgreich und trinkfest zu sein, und er hatte nicht vor, diesen Ruf zu zerstören, indem er im Fall Walter Kress wegen moralischer Bedenken versagte.
Auch ohne moralische Bedenken war der Fall verzwickt genug.
Falls Zosch hinter der pornographischen Fotofalle steckte, würde er die Abzüge und Negative kaum freiwillig herausrücken. Er war kein gewöhnlicher Erpresser, ihm ging es nicht um Geld – er wollte seinen Intimfeind Kress vernichten. Und er würde erst Ruhe geben, wenn er es geschafft hatte.
Aber vielleicht war genau das der richtige Ansatzpunkt für seine Ermittlungen: Wem würde ein Kress-Feind vertrauen? Sicherlich einem anderen Kress-Feind, vor allem, wenn der belastendes Material anzubieten hatte …
Als Markesch aus dem Taxi stieg und Einstein Junior anwies, auf ihn zu warten, war der Nieselregen mangels Wolken versiegt, der Himmel von einem ungetrübten Postkartenblau und das Sonnenlicht wieder so strahlend klar und rein, daß er schon um seine düstere Stimmung fürchtete. Aber der Pförtner, der den Zugang zum weitläufigen Speditionsgelände bewachte, als wäre es Fort Knox und jeder Besucher ein potentieller Goldräuber, versöhnte ihn wieder mit dem abstoßend heiteren Tag.
»Wen wollen Sie sprechen? Den Chef? Das wollen viele«, sagte der häßliche kleine Kerl in einem Tonfall, wie ihn sonst nur die Pfleger im Westflügel der Geschlossenen Abteilung benutzten, wenn Papst Jupp aus Gummizelle 23 eine Unterredung mit Jesus Christus verlangte. »Der Chef ist nicht zu sprechen. Wenn Sie wegen dem Stellenangebot kommen, müssen Sie sich an die Personalabteilung wenden, aber dafür brauchen Sie einen Termin. Haben Sie einen Termin?«
»Termine verstoßen gegen meinen Glauben.«
Der Pförtner sah ihn angewidert an; vielleicht mochte er keine religiösen Menschen. Ein türkisgrün lackierter Kühltransporter mit einem überdimensionalen roten ZOSCH EUROFRACHT auf gelbem Grund dröhnte vorbei und blies Markesch fette, stinkende Dieselabgase ins Gesicht. Er hustete erstickt.
»Wenn Sie keinen Termin haben«, meinte der Pförtner aggressiv, »können Sie gleich wieder gehen. Wir sind ein ordentlicher Betrieb. Ohne Termin läuft hier gar nichts.«
»So was hören wir vom Gewerbeaufsichtsamt gern«, versicherte er hustend. »Aber ob hier wirklich Ordnung herrscht, muß sich erst noch zeigen.« Er griff in seine Jacke, zog ein speckiges Notizbuch und einen Kugelschreiber hervor und begann vielsagend zu kritzeln. »Mal sehen … Verstoß gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz, Überschreitung der zulässigen Abgashöchstwerte und Verletzung der Dritten Höflichkeitsförderungsverordnung …« Betrübt schüttelte er den Kopf. »Tscha, das fängt gar nicht gut an, Meister, gar nicht gut.«
Der Pförtner schluckte. »Sie kommen vom Gewerbeaufsichtsamt? Aber Ihre Kollegen waren doch erst letzten Monat hier!«
»Und was sie gesehen haben, hat ihnen nicht gefallen. Also melden Sie mich umgehend beim Chef an, oder ich sorge dafür, daß der Laden dichtgemacht wird und Sie sich Ihr Geld in Zukunft als Pausenclown verdienen können.«
Für einen Moment befürchtete er, zu dick aufgetragen zu haben, aber der Pförtner gehörte einer Generation an, die noch zum Respekt vor Gott und den Behörden erzogen worden war. Er telefonierte eilig, setzte dann eine servile Miene auf und schickte Markesch in den dritten Stock des Verwaltungsgebäudes, wo dieser bereits von einer strenggesichtigen Sekretärin in einem superkurzen Lederrock erwartet und in das tropenholzgetäfelte Chefbüro geführt wurde.
Karl-Heinz Zosch stand mit dem Rücken zu ihm vor einem Terrarium von der Größe eines Überseekoffers, hielt eine
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