Eine Koelner Karriere
sofort in einem gepeinigten Stöhnen erstarb. »Also halte dich an unsere Abmachung. Ich melde mich wieder.«
Klick. Trucker hatte aufgelegt.
»Zosch?« fragte Archimedes.
»Ist er Spediteur?«
Der Grieche nickte.
»Bingo«, sagte Markesch.
8
Am nächsten Tag bedeckten graue Wolken den Himmel und brachten Nieselregen und kalten Wind nach Köln, als hätten sich die Elemente endlich entschlossen, dem Frühlingsspuk ein Ende zu machen und die Witterungsverhältnisse dem Allgemeinzustand der Domstadt anzupassen. Markesch hatte eine schlaflose Nacht verbracht, gequält von den Schmerzen in seinem Fuß und der Lektüre der fotokopierten Zeitungsartikel, und als er sich am Morgen vor dem Spiegel rasierte, brannte das Feuer der Revolution in seinen Augen.
Sicher, er hatte sich noch nie besondere Illusionen über die Politik und ihre Betreiber gemacht. Politiker dachten anders als gewöhnliche Menschen, vielleicht, weil sie keine Menschen waren, sondern einer anderen Rasse angehörten: homo politicus, Mutationen mit einem genetischen Defekt auf dem Ethikchromosom. Moral war in ihren Augen etwas für Kirchentage und Sonntagsreden, Ehrlichkeit ein Wort aus dem Lexikon für Altphilologen und Integrität eine Eigenschaft, die sie nur bei anderen vermißten.
Aber die ganz banale Korruption, die unter dem Markenzeichen Kölner Klüngel im Rheinland grassierte, erstaunte und empörte selbst einen professionellen Zyniker wie ihn. Das umfangreiche Material aus den Pressearchiven ließ nur einen Schluß zu: Auf den höchsten Etagen der Kölner Lokalpolitik zog ein kleiner, parteiübergreifender Kreis von Steuergeldparasiten und Filzspezialisten die Fäden und kümmerte sich neben dem Machterhalt vor allem um die persönliche Bereicherung. Und überall, wo es etwas abzusahnen, auszuplündern und wegzugreifen gab, tauchte mit quasi naturgesetzlicher Penetranz der Name Walter Kress auf.
Da war zum Beispiel die Sache mit der Gewinnbeteiligung bei den Kölner Verkehrsbetrieben, einer von zahlreichen Skandalen, die Köln erschüttert hatten, ohne Kress’ kometenhafte Karriere auch nur einen Moment bremsen zu können. Zur Verblüffung der von Sozialabbau und Steuererhöhungen geplagten Öffentlichkeit zahlten die chronisch defizitären KVB ihren Direktoren neben einem Jahresgehalt von fast 200.000 harten Deutschmarks eine Erfolgsprämie von noch einmal 100.000 DM – »eine Leistungszulage zur Verminderung des negativen Zuwachses«, wie das abkassierende Vorstandsmitglied Kress im Orwellschen Politdeutsch erklärt hatte. Wobei mit dem »negativen Zuwachs« nichts anderes gemeint war als die horrenden Verluste, die die KVB Jahr für Jahr einfuhren. Verluste, die Anfang des Jahres von denselben Direktoren geschätzt wurden, die sich Ende des Jahres eine Erfolgsprämie dafür auszahlten, daß die geschätzten Verluste geringer ausfielen als das tatsächliche Defizit.
Und das, dachte Markesch, ist die genialste Geldbeschaffungsmaschine seit der Erfindung des Farbkopierers.
Überhaupt schien der gesamte Stadtwerke-Konzern mit seinen zahllosen Tochtergesellschaften keinem anderen Zweck zu dienen, als abgehalfterten Lokalpolitikern und treuen Kress-Hiwis ein sorgenfreies Leben zu finanzieren. Anders ließ sich die Existenz der Rechtsrheinischen Gas- und Elektrizitätswerke nicht erklären – ein Unternehmen, das trotz seines Namens weder Gas noch Elektrizität selbst produzierte, sondern von der ebenfalls städtischen GEW bezog und lediglich an die Bürger weiterverteilte. Natürlich hätten die GEW die Gas- und Stromversorgung in eigener Regie betreiben können – und das auch noch wesentlich billiger –, doch dann wäre der lukrative, mit einer Viertelmillion Jahresgehalt dotierte Chefposten bei der Rechtsrheinischen weggefallen.
Und einer der Honoratioren von Köln hätte sich sein Geld mit ehrlicher Arbeit verdienen müssen.
Aber da stand Walter Kress vor.
»Schließlich haben wir die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, für unsere Leute zu sorgen, wenn sie zehn Jahre oder länger in der Politik aktiv waren«, hatte er in einem Interview mit entwaffnender Offenheit erklärt.
Und er sorgte für die Seinen.
Aber wer es wagte, das System in Zweifel zu ziehen oder Kress’ Machtposition zu bedrohen, wurde gnadenlos abserviert.
Wie Karl-Heinz Zosch, der Shooting-Star der Kölner Lokalpolitik und Hoffnungsträger der Wirtschaftspresse, der nach einer furiosen Blitzkarriere wieder dort gelandet war, wo alle landeten, die
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