Eine Koelner Karriere
kontraproduktiv.« Zosch verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Sehen Sie, kurz nach meinem Rücktritt habe ich an Rache gedacht – ein paar Interviews gegeben, Klüngelpraktiken aufgedeckt, versucht, Kress zu demontieren. Für ein paar Tage rauschte es gewaltig im Blätterwald, dann kam ein neuer, anderer Skandal, und das war es dann. Kress und Konsorten blieben auf ihren Posten – und ich hatte ständig das Gewerbeaufsichtsamt in meiner Firma. Hier wurde etwas beanstandet, da etwas verboten, dort eine behördliche Auflage gemacht. Es regnete Bußgeldbescheide, die Kosten stiegen in die Hunderttausende. Kress hat einen langen Arm.«
»Und?«
»Seit ich das Geld in Parteispenden, statt in Bußgeldbescheide investiere, habe ich Ruhe.«
»Sie haben also Ihren Frieden mit Kress gemacht?«
»Ich bin Realist.«
»Aber wenn wir einen richtigen Skandal aufdecken …« versuchte es Markesch ein letztes Mal.
»Sie verstehen das Problem nicht«, unterbrach Zosch mit sichtlicher Ungeduld. »Um Walter Kress abzuschießen, genügt es nicht, irgendwelche Skandale aufzudecken. Ich habe es versucht, die Zeitungen haben es versucht – alles ohne Erfolg. Und warum? Weil die Leute, die ihn stürzen können – in der Partei, der Fraktion, im Rat – genauso tief im Klüngelsumpf stecken wie er. Kress weiß zuviel über sie, er hat sie in der Hand. Wenn sie ihn stürzen, reißt er sie mit sich. So funktioniert Politik.«
»Ich sprach von einem richtigen Skandal«, erinnerte Markesch. »Nicht von den üblichen Klüngeleien. Genug Schmutz, um Kress ein für allemal zu vernichten.«
Zosch sah ihn wachsam an. »Was wissen Sie?«
»Mein Klient verfügt über Informationen, die für Kress’ Karriere das Aus bedeuten könnten. Wenn Sie sich entschließen, mitzumachen …«
Er ließ den Rest des Satzes unausgesprochen in der Luft hängen. In Zoschs gebräuntem Gesicht arbeitete es. Für einen Moment schien er versucht, den Köder zu schlucken, doch dann schüttelte er abrupt den Kopf, so heftig, als wollte er sich selbst von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugen.
»Vergessen Sie’s, Markesch. Vielleicht funktioniert Ihr Plan, aber wenn herauskommt, daß ich gegen Kress konspiriere, hetzt er mir wieder die Behörden auf den Hals.«
»Ich habe Sie für einen Mann gehalten, der sich nicht so leicht einschüchtern läßt.«
»Meine Firma befindet sich in einer schwierigen Umstrukturierungsphase. Weg vom Umzugsgeschäft, hin zum Transport leicht verderblicher Ware, Gemüse und Fleisch, EG-Transporte nach Polen, Ungarn, die Tschechei. Ich habe sechs teure Kühllaster gekauft, die sich amortisieren müssen. Und jeder Tag, an dem der Betrieb nicht richtig läuft, weil ihn Kress mit bürokratischen Winkelzügen lahmlegt, kostet mich bares Geld. Zuviel Geld für so etwas Banales wie Rache.«
Markesch verbarg seine Enttäuschung. Natürlich war Zoschs Weigerung kein Beweis dafür, daß er nichts mit den Erpresserfotos zu tun hatte. Aber wenn er in die Sache verwickelt war, hätte er anders reagieren müssen. Wer auch immer Kress verfolgte, mußte von einem pathologischen Haß getrieben sein, und ein Köder wie dieser hätte seine Wirkung nicht verfehlt.
Aber vielleicht war er wirklich ein guter Schauspieler.
Oder er hielt ihn für einen Provokateur, der ihn in Kress’ Auftrag in eine Falle locken sollte.
Was in gewisser Hinsicht natürlich stimmte.
»Glauben Sie, daß Leo Schrattner bereit sein könnte, mir zu helfen?«
»Schrattner? Ich dachte, Sie arbeiten für ihn.« Zosch zuckte die Schultern. »Möglich. Er hat die nötige Kreuzzüglermentalität. Er hatte sie eigentlich schon immer – der typische Idealist und Saubermann.«
»Wie ist’s mit Corinne von Bohlen?«
Er nickte anerkennend. »Sie haben wirklich gut recherchiert. Aber Sie sollten die Frau in Ruhe lassen. Dieser ganze Skandal – die Pleite der Firma, die Verhaftung ihres Mannes, sein Selbstmord im Gefängnis – war schon schwer genug für sie.«
»Kress soll an der Pleite nicht ganz unbeteiligt gewesen sein …«
»Wie man’s nimmt. Die Bohlen-Motorengießerei hat giftigen Sondermüll auf der städtischen Müllkippe abgekippt und dadurch fast vier Millionen Mark Entsorgungskosten gespart – alles mit offizieller Genehmigung der Stadtverwaltung.« Zosch steckte eine neue Zigarette an. »Die Grünen kamen dahinter, es gab einen Riesenwirbel, und Kress persönlich schaltete sich ein und bildete einen Untersuchungsausschuß unter seiner
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