Eine Koelner Karriere
zappelnde weiße Maus am Schwanz und ließ sie aus einer Höhe von einem Meter in die künstliche Landschaft aus Sand, Steinen und exotischen Pflanzen fallen. Er war ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit schuhcremeschwarzen Bürstenhaaren und aufdringlich gebräuntem Gesicht, das jeder Kreditkartenreklame zur Ehre gereicht hätte: Der Prototyp des erfolgreichen Unternehmers, der unermüdlich das Bruttosozialprodukt mehrte und seine knapp bemessene Freizeit nur deshalb auf dem Tennisplatz verbrachte, weil sich zwischen Tie-Break und Cocktailbar vortrefflich neue Geschäfte einfädeln ließen.
Kaum vorstellbar, daß er sein wahres Glück darin fand, sich von einer falschen Krankenschwester mit Peitschen und Nadeln malträtieren zu lassen oder seine politischen Gegner mit Pornofotos fertigzumachen.
Markesch räusperte sich, aber Zosch drehte sich nicht einmal um, sondern wedelte ruhegebietend mit der Hand und sagte abwesend: »Einen Moment. Walter holt sich gerade sein Frühstück.«
Walter?
Markesch runzelte die Stirn und trat näher ans Terrarium. Die weiße Maus hatte sich auf einen Stein geflüchtet und hob mißtrauisch schnuppernd das rosa Schnäuzchen. Was sie witterte, schien ihr nicht zu gefallen, denn sie wich mit gesträubtem Fell zurück und fiel in den feinen, weißen Sand am Rand des Miniaturdschungels. Im nächsten Moment schoß etwas Schwarzes, Haariges, Vielbeiniges aus dem Pflanzendickicht und packte die Maus mit mahlenden Kiefern.
Ein schneller Biß. Gift wurde in die Wunde gepumpt.
Die Maus verkrampfte sich, zuckte noch ein paar Sekunden und erschlaffte.
Methodisch und ohne jede Eile zerrte die Vogelspinne ihre paralysierte Beute in das verfilzte Grün, um sie dort – zweifellos mit Genuß und ohne jede Reue – auszusaugen.
»Laß es dir schmecken, Walter«, sagte Zosch im Tonfall eines stolzen Vaters, der seinem Baby die Flasche gab.
»Reizendes Tierchen, dieser Walter«, brummte Markesch. »Zufällig verwandt oder verschwägert mit Walter Kress?«
»Kress?« Er richtete sich abrupt auf. »Wie kommen Sie auf Kress?«
»Nur wegen der Ähnlichkeit.«
Zosch lachte hart. »Für einen Bürokraten haben Sie einen ausgefallenen Sinn für Humor. Sie sind doch der Mann vom Gewerbeaufsichtsamt, oder? Herr …?«
»Markesch. Ich bin Privatdetektiv.« Er reichte ihm seine Visitenkarte mit dem stilisierten Regenbogen. »Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Vorausgesetzt, wir stören Walter nicht beim Frühstück.«
Zosch las die Karte und runzelte mißbilligend die Stirn. »Ich bin sehr beschäftigt. Und ich schätze es nicht, wenn sich jemand unter Vortäuschung falscher …«
»Es ist in Ihrem Interesse. Es geht um Walter Kress.«
Zosch umrundete mit bedächtigen Schritten seinen halb gläsernen, halb stählernen Designerschreibtisch, ließ sich in den verchromten Chefsessel fallen und fixierte ihn mit grauen, kalten Augen.
»Was wollen Sie?« fragte er barsch.
»Ich komme im Auftrag eines Klienten, der wie Sie – und zahlreiche andere Persönlichkeiten Kölns – zum Kreis der Kress-Geschädigten gehört«, log Markesch glattzüngig. »Mein Klient ist der Meinung, daß dem Treiben dieses Mannes Einhalt geboten werden muß. Ihm schwebt eine Art konzertierter Aktion vor, nach dem Motto: Gemeinsam machen wir ihn fertig.«
Zosch lehnte sich zurück. »Wer ist Ihr Klient?«
»Bedaure, aber ich bin nicht berechtigt, den Namen zu diesem Zeitpunkt zu nennen. Aus Sicherheitsgründen. Sie verstehen?«
»Klingt verdächtig nach Leo Schrattner.« Der Spediteur lachte hart. »Dann hat sich ja nichts verändert. Die ganze Stadt zittert noch immer vor Kress.« Er zog ein goldenes Etui aus der Tasche, steckte eine Zigarette an und blies Rauch gegen die Tropenholzdecke. »Warum kommen Sie ausgerechnet zu mir?«
»Nach meinen Informationen hat Walter Kress Ihre politische Karriere ruiniert. Das macht Sie zu einem potentiellen Verbündeten meines Klienten.«
Zosch lachte erneut. »Meine politische Karriere … Wissen Sie, ich bin Unternehmer und keiner von diesen Armleuchtern, die in die Politik gehen, weil sie in der freien Wirtschaft kein Bein auf die Erde bekommen. Ich bin damals nicht in die Partei eingetreten, um Karriere zu machen, ich wollte etwas verändern. Mir ging es um ökonomische Kompetenz in der Politik.«
»Klingt nach einem guten Wahlkampfslogan. Hat man Sie deshalb sofort zum Stadtrat nominiert und nach der Wahl zum Wirtschaftssprecher der Fraktion gemacht?«
»Es
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