Eine Koelner Karriere
war Kress’ Idee. Ich kam zu den Posten wie die Jungfrau zum Kind. Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt und bestätigt. Ich sah mich schon am Ziel – Wirtschaftsförderung als zentrales Thema der Kommunalpolitik. Der junge Macher aus dem Unternehmerlager wirbelt die verknöcherten Strukturen durcheinander.« Wieder dieses harte, freudlose Lachen. »Aber da wußte ich noch nicht, worum es Walter Kress wirklich ging.«
»Und um was ging es ihm wirklich?«
»Kosmetik. Die öffentliche Kritik an den Klüngelpraktiken zerstreuen. Damals gab es eine breite Anti-Filz-Kampagne in den Medien, vor allem wegen den personalpolitischen Entscheidungen. Statt Fachleuten wurden verdiente Parteiarbeiter in hohe Positionen gehievt. Ihre Qualifikation war gleich Null, aber Kress war ihnen noch etwas schuldig.« Zosch inhalierte tief den Zigarettenrauch. »Als die Kritik nicht aufhörte, zauberte er mich aus dem Hut. Ich war ein Fachmann, Jungunternehmer und studierter Ökonom, erfolgreich dazu, ein Seiteneinsteiger aus der Wirtschaft, unbelastet vom Kölner Klüngel. Das passende Feigenblatt für Walter Kress und all diese Versager, die um ihn herumscharwenzeln.«
»Man hat Sie benutzt«, stellte Markesch fest. »Ein Grund mehr, es Kress heimzuzahlen.«
»Ach was. Im Grunde war es meine Schuld. Ich war damals jung und naiv. Ich wußte nicht, wie Politik gemacht wird. Die eigentliche Macht liegt weder beim Stadtrat noch bei den Fraktionen, sondern bei einer kleinen Clique um Kress, einer Seilschaft, die durch das Prinzip der gegenseitigen Postensicherung zusammengehalten wird und bestimmt, wer aufsteigt oder nicht. Erst im Lauf der Zeit habe ich erkannt, daß es diesen Leuten nicht um Politik geht, sondern um Jobs, Geld, Vergünstigungen.«
»Und als Sie dagegen opponierten …«
»Es gab eine weitverbreitete Unzufriedenheit in der Fraktion. Hauptsächlich bei jenen, die beim Postenkarussell leer ausgingen. Ich versuchte, die Unzufriedenen zu organisieren und eine Gegenmacht aufzubauen. Kress erkannte, daß ich ihm gefährlich wurde, und inszenierte eine Schmutzkampagne gegen mich.«
»Wenn ich mich richtig erinnere«, sagte Markesch gedehnt, »warf man Ihnen Vetternwirtschaft vor.«
»Sie meinen diese Sache mit der geplanten Mehrzweckhalle, ein Fünfhundertmillionen-Projekt.« Zosch sprach noch immer gleichmütig, unbeeindruckt. Entweder berührten ihn die damaligen Vorfälle wirklich nicht mehr, oder er war ein guter Schauspieler. »Es gab zwei konkurrierende Entwürfe verschiedener Investorengruppen. Kress machte sich für die eine stark, ich für das Konkurrenzmodell. Aus rein sachlichen Erwägungen. Der von mir unterstützte Entwurf war einfach besser, vernünftiger kalkuliert, wirtschaftlich tragfähiger.«
»Und er hatte den Vorteil, daß der Finanzier dieser Investorengruppe Ihr Schwiegervater war.«
»Der Finanzier war ein Investmentfond, an dem mein Schwiegervater mit ein paar Hunderttausend beteiligt war. Eine lächerliche Summe. Ich wußte nichts davon, und er hat nie versucht, meine Entscheidungen zu beeinflussen.« Zosch lächelte dünn. »Aber das spielte keine Rolle. Kress nutzte diesen unglücklichen Umstand, um mir Filz und private Bereicherung vorzuwerfen. Wahrscheinlich war er von Anfang an über alles informiert. Eine Falle, wenn Sie so wollen. Mein Einfluß in der Fraktion bröckelte, meine Anhänger wurden mit lukrativen Posten geködert. Zum Schluß war ich völlig isoliert. Mir blieb keine andere Wahl, als von meinen Ämtern zurückzutreten.«
»Bedauern Sie es nicht? Sie sagten doch, Sie sind in die Politik gegangen, um etwas zu verändern.«
»Wissen sie, Markesch, die wirklich wichtigen politischen Entscheidungen werden in Büros wie diesem hier getroffen.« Er machte eine weit ausholende Handbewegung. »In den Chefetagen der Wirtschaft, der Industrie, und nicht im Rathaus oder irgendwelchen Ministerien. Warum, glauben Sie, sind so wenige Unternehmer in der Politik tätig? Warum wimmelt es in den Parlamenten von Beamten und Lehrern?«
»Sagen Sie es mir.«
»Weil die Macht dort ist, wo das Geld ist. Um Macht auszuüben, brauche ich kein Mandat, sondern Geld, je mehr, desto besser. Nur wer kein Geld hat und auch sonst keine Talente geht in die Politik. Wo sonst kann man als notorischer Versager ein paar hunderttausend Mark im Jahr verdienen?«
Markesch sah ihn scharf an. »Aber wenn sich Ihnen die Möglichkeit bietet, sich an Kress zu rächen …?«
»Rache ist im Geschäftsleben
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