Eine königliche Affäre
Besichtigungstour mitnehmen, damit er sich mit der Umgebung vertraut macht und so sicherer wird.“
Da Cassie nicht antwortete, nahm er sein Glas in die Hand und machte eine auffordernde Geste. „Komm. Nimm deinen Drink mit, ich will dir etwas zeigen.“ Damit ging er nach nebenan, und Cassie blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Vom benachbarten Wohnraum aus, dessen riesige Fensterfront von der Decke bis zum Boden reichte, bot sich ihr ein atemberaubender Ausblick übers mondbeschienene, silbrig schillernde Meer. In der Ferne funkelten die Lichter der Passagierfähren zwischen Griechenland und der Türkei wie Sterne.
„Und jetzt zeige ich dir noch den Ausblick in Richtung Osten“, kündigte Sebastian, animiert von Cassies offensichtlicher Begeisterung, an und ging ihr wieder voraus in ein gemütlich wirkendes Speisezimmer mit langem rustikalen Tisch und bequemen Sofas, die im Hintergrund vor einem offenen Kamin standen.
„Von hier aus kannst du sowohl den Hafen von Aristo wie den von Calista sehen.“
„Ein fantastischer Ausblick … ein wunderschöner Raum“, sagte Cassie sinnend. „Und, wie alles andere hier, sehr privat.“
„Was für unsere Familie eine viel größere Bedeutung hat, als du es dir vorstellen kannst“, bestätigte er ruhig. „Das hört sich fast so an, als seist du gar nicht besonders erpicht darauf, König zu werden.“
„Das stimmt nicht ganz“, gab er etwas steif zurück. „Ich bin perfekt auf diese Rolle vorbereitet worden und absolut bereit, meine Pflicht zu tun, aber manchmal …“
„Ja?“, ermunterte Cassie ihn, als seine Stimme verebbte.
„Komm …“, forderte er sie auf. „Ich habe dir noch gar nicht die Bibliothek und das Musikzimmer gezeigt, die dir beide unter Garantie gefallen werden. Spielst du immer noch Klavier?“
„Ich habe seit Jahren keine Taste mehr angerührt“, gestand sie, während sie Sebastian erneut folgte. „Aber ich war auch früher kein musikalisches Genie. Ich habe nur Klavierunterricht genommen, weil mein Vater … für ihn war es ein wichtiger Bestandteil der Erziehung für … höhere Töchter.“
Sebastian hielt ihr die Tür zum Musikzimmer auf und fragte sich, warum sie bei ihrer letzten Erklärung ins Stammeln gekommen war. Als Cassie an ihm vorbeiging, streifte ihn ihr ganz eigener Duft, eine Mischung aus Jasmin und Citrusfrüchten, und weckte in ihm sehnsüchtige Erinnerungen …
Obwohl er damals nach jedem Liebesintermezzo ausgiebig geduscht hatte, könnte er schwören, dass Cassies ganz eigener Duft ihn noch Tage später umwehte und aus jeder seiner Poren drang. Auch jetzt schien er noch von der vergangenen Nacht an ihm zu haften.
„Spiel etwas für mich“, bat er weich. „Irgendetwas, das zu deiner augenblicklichen Stimmung passt …“
Sie schaute ihn an, und sekundenlang versanken ihre Blicke ineinander, bevor Cassie sich losriss und langsam auf das weiße Piano zuging. „Ich weiß gar nicht, ob ich nach so langer Zeit ohne Noten spielen kann …“ Abwesend strich sie mit der Hand über die auf Hochglanz polierte Oberfläche des kostbaren Instruments.
„Versuch es einfach … für mich.“
Cassie sank auf den antiken Klavierschemel, hob den Deckel an, der das Instrument vor Staub schützte, und legte versuchsweise die Hände auf die Elfenbeintasten. Wider Erwarten fühlte es sich nicht schlecht an … irgendwie vertraut.
Entschlossen verbannte sie die schmerzhaften Erinnerungen der Vergangenheit in den Hinterkopf, schlug versuchsweise einige Akkorde an und stolperte dabei wie ein Kind bei seinen ersten Schritten.
Noch einmal erinnerte sie sich selbst daran, dass ihr Vater tot war. Er konnte kein Lineal mehr auf ihren Knöcheln zerbrechen, wenn sie einen Ton nicht traf. Er konnte nicht mehr wutentbrannt ins Zimmer gestürmt kommen und den Klavierdeckel zuschlagen, selbst auf die Gefahr hin, dass er ihr dabei beide Hände brach …
Tränen trübten ihren Blick, doch sie spielte unverdrossen weiter, während sich langsam Note an Note reihte, perlende Läufe sich mit dunklen Akkorden abwechselten, eine Hand das Thema von der anderen übernahm und es ihr überließ, die schwermütige Melodie mit klagenden Tönen zu untermalen.
Sebastian war fasziniert und zutiefst berührt. Im Näherkommen sah er glitzernde Tränen aus Cassies schönen Augen ungehindert auf die Tasten und ihre Finger tropfen. In der Vergangenheit hatte sie nie vor ihm geweint, jedenfalls nicht offen. Dabei war er sehr wohl an weibliche
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