Eine Krone für Alexander (German Edition)
hast tatsächlich nichts Eiligeres zu tun, als sofort
zu ihr zu rennen? Alexander, du benimmst dich wie ein Kind! Es wird Zeit, dass
du dich von deiner Mutter abnabelst.“
Selbstverständlich waren Aristoteles’ Vorhaltungen
vergeblich gewesen. Wie schon im Herbst war Alexander auch diesmal wieder so
schnell wie möglich nach Pella geritten. Wieder arbeitete seine Mutter an ihrem
Webstuhl, als er zur Tür hereinkam. Kleopatra stand wortlos auf und ging die
Treppe hinauf zu ihrem Zimmer, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, das Gesicht
verschlossen und abweisend. Alles war wie beim ersten Mal, nur dass diesmal
Winter war, dass die Läden geschlossen und im Raum Kohlenbecken gegen die Kälte
verteilt waren.
„Was ist los?“, fragte er. „Ist Meda schwanger?“
„Meda?“ Die Frage schien Olympias zu überraschen. „Nicht
dass ich wüsste.“
Ihr offenkundiges Desinteresse an der neuen Rivalin verblüffte
ihn. Sie hatte ihn zur Begrüßung kurz umarmt, sich in einen pelzgefütterten
Umhang gewickelt und sich an eines der Kohlenbecken gesetzt, die den Raum mit
ungleichmäßiger Wärme erfüllten.
„Warum musste ich dann unbedingt kommen?“ Er merkte selbst,
dass seine Stimme ungeduldig und gereizt klang. Der Ritt war lang und beschwerlich
gewesen, und so hatten Aristoteles’ Ermahnungen nach und nach ihre Wirkung
entfaltet. Erschöpft und durchgefroren, wie er war, setzte er sich ihr
gegenüber und hielt die Hände über die Hitze, die von der Glut aufstieg. „Ich
bin so schnell wie möglich gekommen. Ich dachte, es geht um Meda.“
Olympias ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Anders als
bei ihrer letzten Begegnung wirkte weder besorgt noch unruhig, sondern auf
unerklärliche Weise gelassen. Er glaubte sogar, etwas wie Genugtuung an ihr wahrnehmen
zu können. „Meda ist nicht das Problem“, sagte sie mit wegwerfender Geste.
„Sondern?“
Sie lächelte ihn über die Glut des Beckens hinweg spöttisch
an. „Zumindest ein Teil des Problems ist, dass du dich zu sicher fühlst. Wer
nicht mit dem Bösen rechnet, wird von ihm überrascht werden, wie ein Wanderer
von der Schlange: Sie lauert vor ihm im Gras, während er die idyllische
Landschaft bewundert. Aber die Welt ist nicht idyllisch. Sie ist grausam und
unberechenbar. Wie die Schlange, die ihren Giftzahn in deine Ferse stößt.“
„Ich dachte, du liebst Schlangen?“, erwiderte er,
seinerseits spöttisch.
Ihr Lächeln vertiefte sich. „Nicht solche in
Menschengestalt.“
„Du sprichst in Rätseln.“
Das Lächeln verschwand, und ihr Gesicht wurde ausdruckslos.
Nur scheinbar entspannt legte sie die Unterarme auf die Lehnen ihres Sessels.
„Als wir das letzte Mal miteinander sprachen, habe ich dich gewarnt, dass du
Philipp nicht trauen kannst, aber du wolltest mir nicht glauben. Vielleicht
wirst du es heute tun. Ich sage es dir noch einmal: Philipp will nicht, dass du
sein Nachfolger wirst!“
„Warum sollte er das nicht wollen?“
Sie gab keine Antwort, starrte ihn nur weiterhin unverwandt
an. Er hasste ihre Geheimnistuerei und beschloss, nicht weiter darauf
einzugehen. „Selbst wenn es so wäre: Er hätte keine andere Wahl. Ich bin der
einzige mögliche Erbe. Arrhidaios kommt nicht infrage, und sonst hat Philipp
nur Töchter. Es gibt keine Alternative zu mir, zumindest vorerst nicht.“
„Du irrst dich. Da ist immer noch Amyntas.“
Er runzelte die Stirn. „Wenn Amyntas eine Gefahr wäre, hätte
Philipp ihn längst beseitigt.“
„Er ist keine Gefahr für Philipp .
Die Makedonen haben Amyntas damals beiseitegeschoben, weil Krieg war und sie
einen starken König brauchten. Inzwischen ist Philipps Stellung unangreifbar.
Niemand wagt es, ihm heute noch vorzuhalten, dass er seinen Neffen vom Thron
gestoßen hat. Deswegen konnte er es sich leisten, ihn am Leben zu lassen. Doch
jetzt ist Amyntas erwachsen. Wenn Philipp stirbt, könnten einflussreiche Kreise
sich dafür starkmachen, ihn wieder als König einzusetzen.“
„Ich nehme an, das könnten sie.“ Langsam verlor er die Geduld.
„Aber solange Philipp lebt, hat er die Macht, seinen Erben selbst zu bestimmen.
Und was immer du denkst: Das ist ganz bestimmt nicht Amyntas. Wie jeder Mann
will Philipp sein Werk lieber seinen eigenen Nachkommen hinterlassen. Das hat
er mir selbst gesagt.“
„Seinen Nachkommen, genau. Und das ist der Grund, warum ich
dich gerufen habe.“ Sie machte eine Pause und zog in aller Ruhe die Falten
ihres Chitons auf dem Schoß glatt. „Philipp hat
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