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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Jedenfalls“,
fügte Leonidas mit ätzendem Sarkasmus hinzu, „solange du nicht über die Länder
herrschst, aus denen er kommt.“

2
    Am Altar in der Mitte des großen, von Säulenhallen umgebenen
Hofs wartete eine Gruppe weiß gekleideter Männer, zusammen mit einem weißen
Stier. Die geschwungenen Hörner des Tieres waren vergoldet, Kränze und bunte
Bänder schmückten den massigen Nacken. Es war so früh am Morgen, dass es völlig
still war, nur der Stier scharrte ab und zu mit den Vorderhufen und gab ein
gedämpftes Schnauben von sich.
    „Gleich wird der König kommen und das Opfer vollziehen“,
flüsterte Leonidas in die Stille hinein. „Warst du schon einmal bei einem
solchen Ritual zugegen?“
    „Schon oft“, antwortete Alexander. „Meine Mutter opfert den
Göttern jeden Morgen.“
    „Das meine ich nicht, ich meine eine große, offizielle Zeremonie,
bei der den Staatsgöttern geopfert wird, Zeus oder einem der anderen zwölf
olympischen Götter oder Herakles, dem Ahnherrn des Königshauses.“
    Der König erschien inmitten einer Gruppe vornehm gekleideter
Männer, eskortiert von den Pezhetairen, die in ihren blank polierten Rüstungen
und roten Umhängen rechts und links von ihm marschierten und dann in exakter
Formation um den Altar herum Aufstellung nahmen. Der König selbst war in
strahlendes Weiß gekleidet und trug einen Kranz aus Eichenlaub auf dem Kopf. An
seiner Seite ging ein weiterer weiß gekleideter Mann, mit einem gepflegten
grauen Bart, einer weißen Binde um den Kopf und einem langen Stab in der
Rechten.
    „Wer ist der Mann beim König?“
    „Aristandros aus Telmessos, der oberste Seher und Zeichendeuter.
Er wird nachher die Eingeweide des geopferten Stieres untersuchen und daraus
die Vorzeichen für den heutigen Tag deuten.“
    Einer der wartenden Männer trat mit einer Schale und einem
Tuch zum König, und dieser wusch sich die Hände, während der Stier zum Altar geführt
wurde. Der König besprengte erst den Altar und den Stier mit Wasser und sprach
dann mit erhobenen Händen ein Gebet. Jemand reichte ihm ein Messer. Im nächsten
Augenblick hatte er dem Tier mit einem Ruck die Kehle durchschnitten. Eine
Fontäne von Blut spritzte hoch, der Stier bäumte sich auf, brach dann in die
Knie und fiel schwer zur Seite. Er zuckte noch eine Weile und lag dann still.
    Wieder wusch sich der König die Hände, während Aristandros
näher trat. Alexander sah zu dem toten Tier, das beim Altar im Staub lag. Einer
der Männer hatte die Hörner gepackt und den Kopf angehoben, während ein anderer
das Blut in einer Schale auffing.
    „Warum hat der König den Stier selbst getötet?“, fragte Alexander.
„Warum lässt er das nicht die Priester machen?“
    „Weil der König zugleich der oberste Priester ist. Im
übrigen Griechenland ist das heutzutage anders, doch früher, in den Zeiten der
alten Heroen, als es noch überall Könige gab, gehörte es zu ihren vornehmsten
Pflichten, den Göttern zu opfern. Deshalb bringt dein Vater jeden Morgen das
Opfer persönlich dar.“
    „Jeden Morgen?“
    „Es ist das Erste, was er an jedem Tag tut.“
    Alexander schwieg und blickte
wieder zu dem Stier hinüber. Aristandros’ Gehilfen hatten begonnen, den Kadaver
zu zerteilen, kein besonders erhebender Anblick. Und trotzdem konnte Alexander
sich gut vorstellen, wie stolz der König sein musste, Mittler zwischen seinem
Volk und den Göttern zu sein.
    Gleich am nächsten Morgen ließ seine Mutter Alexander zu
sich rufen, sehr zum Ärger von Leonidas. Olympias riss ihren Sohn so
überschwänglich in ihre Arme, als habe sie ihn seit Monaten nicht mehr gesehen
– was natürlich nicht der Fall war.
    „Es gibt etwas, was ich dir zeigen muss!“, flüsterte sie.
Sie tat geheimnisvoll, wie so oft, und lächelte dabei, doch dahinter konnte er
ihre Anspannung spüren. Die Gesichter der anderen Frauen waren verschlossen,
ein deutliches Zeichen, dass es Ärger gegeben hatte. Sie hatten sich bereits
ihre Schleier umgelegt und waren aufbruchbereit. Nervös machten sich alle zusammen
auf den Weg.
    „Wohin gehen wir?“, fragte er seine Mutter.
    „Zum Tempel des Zeus unten in der Stadt.“
    „Warum? Ist heute ein besonderer Tag?“
    „Muss dazu ein besonderer Tag sein?“, erwiderte sie gereizt.
„Glaubst du nicht, dass du auch so Grund genug hast, dem Vater der Götter und
Menschen deine Achtung zu erweisen?“
    „Doch. Immerhin stamme ich von ihm ab, über Herakles, den
Ahnherrn meiner Familie.“ Er merkte

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