Eine Krone für Alexander (German Edition)
Sohn von Zeus, aber nicht ihr eigener.
Seine Mutter war Alkmene, die Frau von ...“
„Genau. Frauen mögen es nicht, wenn ihre Männer Kinder mit
anderen Frauen zeugen.“
Alexander dachte an Kynnana und besonders an Arrhidaios,
sagte aber nichts. Es wäre ihm wie Verrat an seiner Mutter vorgekommen, auch
wenn ihm natürlich klar war, dass Leonidas Bescheid wusste.
„Bei Göttinnen ist es nicht anders“, fuhr der Erzieher fort.
„Hera schlug Herakles mit Wahnsinn, sodass er seine eigenen Kinder nicht
erkannte. Im Wahn hielt er sie für Feinde und tötete sie. Ihre Mutter stellte
sich schützend vor sie, doch Herakles erkannte auch sie nicht. Sie starb ebenfalls.
Eine tragische Geschichte.“
Die Vögel waren inzwischen außer Hörweite. Dank des Regens
in der Nacht war die sommerliche Hitze so früh am Morgen noch auszuhalten. Das
war aber auch das einzig Erträgliche im Moment. Leonidas legte sein gewohnt
zügiges Tempo vor, der Schlamm auf dem Weg erschwerte das Gehen, und Alexander
hatte wie üblich noch kein Frühstück bekommen.
„Trotzdem“, sagte er, während er versuchte, Anschluss zu
halten. „Ich kann nicht glauben, dass Herakles so etwas Schreckliches getan
hat.“
„Es ist aber die Wahrheit“, erwiderte Leonidas leicht ungeduldig.
„Der Mensch ist schwach. Das gilt sogar für die größten Helden, auch sie waren
nur Menschen. Umso wichtiger ist es, unbedingte Disziplin zu halten. Disziplin
ist alles, nur mit ihrer Hilfe können wir …“
Alexander hatte erfahren, was er wissen wollte, und hörte
nicht länger zu. Sie waren schon seit Stunden unterwegs und näherten sich
unaufhaltsam dem Punkt, an dem ihm immer die Puste auszugehen begann. Er gab
sein Bestes, um mitzuhalten, doch er musste nun einmal zwei Schritte machen, wo
Leonidas mit einem auskam. Alexander ignorierte die Seitenstiche, das Brennen
in der Lunge, die wund gelaufenen Füße sowie das flaue Gefühl im Magen und
dachte nach.
Warum hatte sie es ihm gesagt? Er verstand, warum sie
Herakles nicht mochte: weil er Philipps Ahnherr war. Sie sah es lieber, wenn er
Achilleus verehrte, ihren eigenen Vorfahren. Aber warum hatte sie ihn zum
Tempel des Zeus geschleppt? Von ihm stammte nicht nur ihre eigene Familie ab,
sondern die von Philipp ebenso. Und was war mit dem Band, von dem sie gesprochen
hatte? Dem besonderen Band, das ihn mit dem höchsten Gott verband – nur ihn
allein? Er spürte, dass es nichts mit Herakles zu tun hatte, auch nicht mit
Achilleus. Darüber konnte er mit Leonidas nicht reden, wahrscheinlich auch mit
Kleitos nicht und nicht einmal mit Lanika. Er würde wohl oder übel warten
müssen, bis seine Mutter es ihm eines Tages erklärte.
Doch es ließ ihm keine Ruhe.
3
Nicht lange danach brach der König zu einem Feldzug auf,
gegen die Städte auf der Halbinsel Chalkidike. Schon lange vorher liefen in
Pella die Vorbereitungen. Truppen wurden zusammengezogen, Waffen und Ausrüstung
aus den Magazinen geholt und Opfer auf allen Altären der Stadt dargebracht,
während die Seher die Vorzeichen deuteten. Auf den Exerzierplätzen erhielten
die Soldaten den letzten Schliff. Leonidas ging mit Alexander oft hin, um zuzusehen.
Die Soldaten nahmen Abschied von ihren Familien, und an den Tempeln beteten die
Menschen für die wohlbehaltene Wiederkehr ihrer Ehemänner und Väter, ihrer
Söhne und Brüder. Dann kam der Tag, an dem die Armee abmarschieren sollte.
Leonidas hatte sich und seinem Schützling rechtzeitig einen
Platz auf der Terrasse vor dem Palasttor gesichert, mit gutem Blick auf den
Vorplatz, wo bereits die Hetairen-Reiter, die berittene Leibgarde des Königs,
in ihren purpurgesäumten Umhängen Aufstellung genommen hatten. Schließlich
erschien der König selbst, zusammen mit Parmenion, seinem wichtigsten
Feldherrn, und dem alten Antipatros, der als Regent in Pella bleiben würde.
Philipp trug eine blitzende Rüstung, die aussah, als sei sie aus Silber, und
darüber eine Chlamys, den kurzen Umhang der makedonischen Krieger. Unter dem
Jubel der Zuschauer bestieg er sein Pferd, winkte in die Menge und ritt los,
gefolgt von den Hetairen-Reitern. Leonidas und Alexander blieben am Tor zurück
und sahen zu, wie die Soldaten hinter ihren Standarten an ihnen vorüberzogen,
vorbei an den vielen Menschen, die die Straße säumten und ihnen
hinterherwinkten.
Als der letzte Soldat außer Sicht war, machte Alexander sich
auf den Weg zu Lanika. Sie wohnte wieder in ihrem eigenen Haus, und da es nicht
weit vom Palast lag,
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