Eine Krone für Alexander (German Edition)
knapp und verließ den Raum.
Hephaistion blickte ihm nach; sein überhebliches Grinsen war inzwischen, wie
Alexander fand, unerträglich geworden.
Alexander räusperte sich. „Ich habe Pankaste gefragt, ob sie
mit nach Pella kommt, als meine offizielle Mätresse. Obwohl ich natürlich nicht
viel Zeit für sie haben werde. Und natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast.“
Hephaistion wandte ihm seine Aufmerksamkeit zu. „Warum sollte
ich das?“
„Zwischen uns würde sich natürlich nichts ändern“,
versicherte Alexander.
„Klar.“
Kurzes Schweigen. „Wer war übrigens deine Flamme?“
„Eine Athenerin namens Thais.“
„Kommt sie auch mit nach Pella?“
Hephaistion zog die Brauen hoch, und Alexander beteuerte:
„Gleiches Recht für alle.“
„Sehr großzügig von dir. Aber ich glaube kaum, dass ich mir
die Dame leisten kann. Und sie kann es sich auf Dauer nicht leisten, ihre Gunst
umsonst zu gewähren.“
„Umsonst? Heißt das, du musstest nichts bezahlen?“
„Richtig.“
Alexander presste die Lippen zusammen. Dann sagte er betont
beiläufig: „Sicher dachte sie, es ist gut fürs Geschäft, wenn sie sich mit
meinem Freund befasst.“
„Wenn du das sagst.“
Das Kraneion genannte Gymnasion lag inmitten eines Zypressenhains,
eine weitläufige Anlage mit Säulenhallen, Umkleideräumen und Bädern. Alexander
und seine Begleiter fragten ein paar junge Leute, die hier trainierten, nach
Diogenes, und man schickte sie in einen von Säulenhallen umgebenen Innenhof mit
einem großen Wasserbecken in der Mitte. In der hintersten Ecke stießen sie auf
eine altersschwache Tonne, die man mit dem Bauch nach unten auf den Boden
gelegt und mit ein paar Steinbrocken arretiert hatte, damit sie nicht
davonrollte. Unmittelbar davor lag ein alter Mann auf den steinernen
Bodenfliesen und döste vor sich hin. Obwohl sich das Peristyl in kürzester Zeit
mit Menschen füllte, die die Tonne umlagerten, ließ er sich in keiner Weise
stören.
Kallisthenes trat vor und räusperte sich. Der Alte auf dem
Boden öffnete ein Auge, schloss es wieder – und drehte sich auf die andere
Seite.
„Bist du Diogenes?“, fragte Kallisthenes.
„Natürlich ist er es“, rief Anaximenes, „oder kennst du noch
andere Leute, die in einer Tonne wohnen?“
Der Alte drehte sich wieder um und setzte sich halb auf.
„Anaximenes? Bist du das etwa? Nett, dass du mich besuchen kommst. Wie geht’s?“
„Gut, danke. Hier ist noch jemand, der dich besuchen will.“
„Wirklich?“ Diogenes setzte sich endgültig auf, lehnte sich
mit dem Rücken gegen sein Fass und grinste erwartungsvoll. „Besuch ist immer
nett. Wer ist es denn?“
Alexander trat ein Stück nach vorn. „Ich bin Alexander, der
Sohn Philipps.“
Kallisthenes rasselte ergänzend hinunter: „König der Makedonen,
Archon der Thessalier, Mitglied der Delphischen Amphiktyonie, Hegemon des
griechischen Bundesheeres und bevollmächtigter Stratege für den panhellenischen
Feldzug gegen die Perser.“
Diogenes grüßte lässig mit einer Handbewegung. „Sehr
erfreut, Alexander. Ich bin Diogenes, der Hund.“ Dann sah er sich suchend um.
„Und wo sind diese ganzen anderen Kerle, die der Dicke mit der Glatze erwähnt
hat?“
„Das bin alles ich“, erklärte Alexander und grinste.
Demaratos hatte nicht zu viel versprochen. Die Unterhaltung versprach, amüsant
zu werden.
Erstaunt riss Diogenes die Augen auf. „So viele Namen für
einen einzigen Menschen? Dann musst du wohl sehr bedeutend sein.“ Mit der Geste
des stolzen Gastgebers wies er auf seine Tonne. „Willkommen in meinem
bescheidenen Heim. Oder genauer: Willkommen davor, denn ich fürchte, drinnen
haben wir nicht beide gleichzeitig Platz.“
Das Ambiente war trostlos. Die Tonne war wurmstichig und,
soweit Alexander feststellen konnte, vollkommen leer. Alexander sah nicht
einmal eine Decke herumliegen oder Essgeschirr. Diogenes selbst war ein verschrumpeltes
Männlein in den Sechzigern. Sein Kopf war fast kahl, der Bart grau und
struppig. Arme und Beine waren dürr und knotig wie Äste, doch der übrige Körper
wirkte erstaunlich kompakt. Hätte der alte Mann genügend zu essen bekommen,
wäre er wahrscheinlich recht korpulent gewesen. So aber erinnerte er Alexander
an einen halb verhungerten Silen. Seine Bekleidung bestand aus einem großen
Tuch aus ungefärbtem Leinen, fadenscheinig und vor Schmutz starrend. Es war
locker um seinen mageren Leib geschlagen und wurde von einem Strick an Ort und
Stelle
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