Eine Krone für Alexander (German Edition)
Augenblicke, um
wieder zu Atem zu kommen. Dann schüttelte er den Kopf. „Sie besteht darauf:
Heute ist keiner von den Tagen, an denen der Gott weissagt.“
„Hast du ihr gesagt, dass er selbst seine Bereitschaft
erklärt hat?“, fragte Alexander.
„Die Pythia meinte, der Sinn dieses Rituals habe sich ihr
noch nie erschlossen. Jede Ziege, der man einen Schwall eiskaltes Wasser über
den Kopf schütte, würde zusammenzucken. Das sei kein Beweis für das Einverständnis
des Gottes.“
„Ich gehe selbst.“
Alexander verbat sich jede Begleitung, nur der Botenjunge
durfte ein Stück mitkommen, um ihm den Weg zu zeigen. Sie hatten ein ganzes
Stück zu laufen, hinaus aus dem heiligen Bezirk und dann durch die Stadt. Das
Haus der Pythia war kein offiziell aussehendes Gebäude, sondern eines wie alle
anderen, und noch nicht einmal eines von den besseren. Alexander hämmerte an
die Tür, bis eine alte Dienerin öffnete. Er fragte nach der Pythia, doch die
Dienerin weigerte sich, ihn einzulassen oder auch nur ihre Herrin an die Tür zu
holen. Alexander ließ nicht locker, und so stritten sie sich lautstark.
„Was soll das Geschrei?“, fragte eine Stimme.
Aus dem Inneren des Hauses war eine Frau zur Tür gekommen,
nicht so alt wie die Dienerin, aber auch nicht mehr jung. Dennoch war sie wie
ein junges Mädchen gekleidet, und wie ein Mädchen trug sie auch ihre Haare in
gelockten Strähnen über die Schultern fallend. Davon abgesehen war nichts
Außergewöhnliches an ihr. Die Pythia war keine Priesterin, sondern eine Frau
wie jede andere. Nur die Macht des Gottes verlieh ihr prophetische Kraft, wenn
sie im Allerheiligsten auf ihrem Dreifuß saß und in heilige Trance fiel.
Apollon selbst war es dann, der aus ihr sprach.
„Ich habe deinem König bereits ausrichten lassen, dass ich
nicht kommen werde“, sagte sie ungehalten und runzelte die Stirn. „Also, lauf
und sage ihm, es hat keinen Sinn, immer neue junge Männer zu schicken, die sich
nicht benehmen können.“
„Ich bin Alexander selbst.“
„Umso schlimmer. Was sind das für Manieren, wenn ein König
eine alte Dienerin bedrängt? Es bleibt dabei: Der Gott spricht nur an
bestimmten Tagen, und heute ist keiner davon.“
Alexander setzte sein liebenswürdigstes Lächeln auf. „Ich habe
eine wichtige Frage an Apollon, eine Frage, die ...“
„Sie wird bis zum Frühjahr warten müssen. Hier gibt es hier
keine Sonderrechte für Könige.“
„Es geht nicht um mich. Meine Frage ist von Bedeutung für
das Wohl ganz Griechenlands.“
Die Pythia verschränkte die Arme vor der Brust. „Was du
nicht sagst!“
„Es betrifft den Feldzug gegen die Perser im Frühjahr. Hast
du nicht einen Neffen, der alt genug ist, um in den Krieg zu ziehen? Oder
vielleicht den Sohn einer Freundin? Würdest du nicht wissen wollen, ob sie auf
den Segen der Götter vertrauen können?“ Ihr Gesicht wurde eine Spur weicher.
„Apollon wird mir antworten. Ich spüre es, und ich fühle seine Anwesenheit.“ Er
zeigte hinauf zu den Felsen, die sich in der klaren Luft abzeichneten. Noch
immer zog der Vogel dort seine Kreise. „Spürst du sie nicht ebenfalls?“
Der Blick der Pythia folgte seinem ausgestreckten Arm und
streifte kurz über die Felsen, um dann ins Nichts abzugleiten. Ihre Augen
öffneten sich weit, und er wusste, dass auch sie die Präsenz des Göttlichen
fühlte. Dann wurde ihr Blick wieder klar. Einen winzigen Augenblick nur war sie
unsicher, und diesen Moment nutzte Alexander, um ihren Arm zu fassen und sie
mit einem energischen Ruck aus der Tür zu ziehen.
„Komm mit mir zum Tempel, verkünde mir die Botschaft des
Gottes.“ Er wandte sich zu der mit offenem Mund dastehenden Dienerin. „Geh und
hol deiner Herrin einen Mantel. Es ist kalt.“
Als die alte Frau sich nicht von der Stelle rührte, nahm er
seine eigene Chlamys ab und legte sie der Prophetin um die Schultern. Wieder
fasste er ihren Arm und begann, sie hinter sich herzuziehen, die Straße
hinunter. Widerwillig machte sie einen Schritt, blieb stehen, wurde wieder ein
Stück weitergeschleppt. Alexander ließ sie nicht los und redete weiter auf sie
ein. „Der Gott hat eine Botschaft für mich. Komm, er wartet auf uns.“
Plötzlich riss die Seherin mit einem Ruck ihren Arm los und
blieb stehen. Mit entschlossener Geste fasste sie nach der Chlamys, die
Alexander ihr umgelegt hatte, und zog den Stoff über ihren Kopf. Ein
resigniertes Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Also schön, du hast
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