Eine Krone für Alexander (German Edition)
reden.“
„Nein, das ist nicht der Grund. Es ist, weil du ihr Sohn
bist und ich nur eine Tochter. Sie hofft, dass du einmal König wirst, und dann
wird sie die wichtigste Frau im Palast sein, so wie Großmutter jetzt. Ich
dagegen bin nicht nützlich für sie.“ Ihre Stimme klang bitter.
„Das stimmt nicht!“, tröstete er sie. „Du bist genauso
wichtig für sie, auch wenn sie es nicht so zeigt. Und wer weiß, vielleicht
heiratest du eines Tages einen König, dann wirst du selbst eine Königin sein!“
„Ich komme schon klar, du musst mich nicht trösten. Danke
für die Puppe.“
„Gefällt sie dir denn?“
Kleopatra holte die Puppe aus dem Korb und nahm sie näher in
Augenschein. Sie war aus Holz geschnitzt, das Gesicht dunkelbraun bemalt, mit
großen, schwarz umrandeten Augen, Haaren aus schwarz glänzender Wolle und einem
liebevoll genähten Kleid aus weißem Leinen.
„Ja. So eine habe ich noch nicht. Woher kommt sie?“
„Aus Ägypten.“
„Könige haben oft mehrere Frauen, nacheinander oder sogar
gleichzeitig“, sagte Alexander, während er Hephaistion dabei zusah, wie er die
Pferde versorgte. „Artabazos hat mir erzählt, dass es bei den Persern auch so
ist, nur dass bei ihnen nicht nur der König mehrere Frauen hat, sondern jeder
Mann, vorausgesetzt, er kann es sich leisten. Der Großkönig hat sogar einen
Harem mit dreihundertfünfundsechzig Frauen, sagt Artabazos, eine für jeden Tag
des Jahres.“
„Wohl eher für die Nächte“, kicherte Hephaistion anzüglich.
Er war dabei, einen großen, aristokratischen Rappen zu striegeln. „Ich schätze,
der Großkönig hat eine Menge Spaß.“
„Oder auch nicht.“ Alexander saß auf der Absperrung und ließ
die Beine baumeln. „Mein Vater hat nur vier Frauen, und jede davon will die anderen
unbedingt übertrumpfen. Ich wage nicht, mir vorzustellen, was bei
dreihundertfünfundsechzig los ist.“
„Dann ist es vielleicht gut, dass bei uns jeder Mann nur
eine Frau hat.“ Hephaistion inspizierte die Hufe des Tieres.
„Dabei geht es sowieso nicht nur um den Spaß“, fuhr Alexander
fort. „Könige heiraten oft aus politischen Gründen, aber auch, um möglichst
viele Söhne zu zeugen. Selbst wenn einige davon wieder sterben, bleibt die
Thronfolge gesichert.“
Hephaistion war mit den Hufen fertig und führte den Rappen
in den Stall, dann nahm er sich das nächste Tier vor, einen temperamentvollen
Fuchs.
Alexander redete weiter. „Der Haken ist, dass von den Söhnen
eines Königs immer nur einer sein Nachfolger werden kann. Deshalb kommt es so
oft unter ihnen zum Kampf um die Macht. Zum Beispiel bei den Persern –
Artabazos hat mir erzählt, dass der jetzige Großkönig alle seine Brüder
umgebracht hat.“
Hephaistion sah von seiner Arbeit auf. „Ist es wegen dem
Kind, das Nikesipolis erwartet?“ Er legte den Striegel zur Seite und schwang
sich neben Alexander auf den Zaun. „Wenn dir das Sorgen macht, kannst du es mir
anvertrauen. Du weißt, ich verrate es niemandem.“
„Auf jeden Fall macht es meiner Mutter Sorgen.“ Alexander
starrte auf den von Pferdehufen zertrampelten Boden. „Früher, als ich noch
klein war, fand ich die Streitereien zwischen ihr und den anderen Frauen
schrecklich. Inzwischen verstehe ich sie besser. Die Frauen eines Königs haben
es nicht leicht. Ihr Leben dreht sich darum, einen Sohn zu bekommen, und dann
müssen sie dafür sorgen, dass er auch wirklich König wird, weil er sonst
womöglich umgebracht wird. Meine Großmutter hat mir erzählt, was mit ihren
Stiefsöhnen passiert ist. Kein Wunder, dass meine Mutter Angst um mich hat.“
Hephaistion legte ihm den Arm um die Schultern. „Und was ist
mit dir? Hast du auch Angst?“
Alexander zuckte die Achseln. Seit seinem Gespräch mit
Eurydika hatte er begonnen, mit einem Dolch unter dem Kopfkissen zu schlafen.
„Vielleicht wird Nikesipolis’ Kind ja ein Mädchen.“
Hephaistion legte seinen Arm fester um ihn. „Wenn es ein
Junge wird … wenn es gefährlich wird … dann komm zu mir! Ich würde dich bei uns
verstecken, notfalls können wir zusammen außer Landes fliehen. Mein Vater hat
Geschäftsfreunde auf der halben Welt; er würde uns sicher helfen.“
Überwältigt sah Alexander ihn an. „Das würdest du für mich
tun?“
„Natürlich.“
Alexander rückte näher an ihn heran, senkte seine Stimme.
„Ich werde dir etwas sagen, aber ganz im Vertrauen. Du darfst es niemandem
weitersagen!“ Dann begann er, in Hephaistions Ohr zu
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