Eine Krone für Alexander (German Edition)
flüstern.
22
„Ich
habe gehört, du warst bei Eurydika?“
„Ja. Hätte ich das nicht tun sollen?“
„Was wolltest du bei ihr?“
„Etwas über unsere Vorfahren erfahren. In den Büchern steht
nicht viel über sie.“
In Philipps Gesicht war nichts zu lesen, und doch lag
Anspannung in der Luft. Er war schon vor einiger Zeit aus Thessalien
zurückgekehrt, doch offenbar hatte er erst jetzt Zeit gefunden, seinen Sohn in
sein Arbeitszimmer zu zitieren.
„Worüber habt ihr gesprochen?“
„Hauptsächlich über König Archelaos und seine Nachfolger.“
Dass Eurydika ihm auch verraten hatte, was Philipp mit seinen Halbbrüdern
gemacht hatte, erwähnte er vorsichtshalber nicht.
„Wenn du das nächste Mal etwas wissen willst, fragst du mich
einfach.“ Der König lehnte sich in seinem Sessel zurück und faltete die Hände
über dem Bauch. Er wirkte nun merklich entspannter. „Fangen wir an mit König
Alexander, der zur Zeit der Perserkriege regierte. Was weißt du über ihn?“
„Dass er den Griechen gegen die Perser geholfen hat und
deshalb den Beinamen der Griechenfreund bekam.“
Philipp begann zu grinsen. „Kennst du die Geschichte, wie er
die persische Gesandtschaft verschwinden ließ?“
Alexander erwiderte das Grinsen. Er hatte darüber in einem
seiner Bücher gelesen. „Als noch sein Vater Amyntas König war, fielen die Perser
in Europa ein und eroberten Thrakien bis zum Istros. Nach Makedonien schickten
sie Gesandte, um Erde und Wasser zu fordern, zum Zeichen der Unterwerfung.
Amyntas fürchtete die Macht der Perser und gab ihnen, was sie wollten. Aber das
war den Gesandten nicht genug. Auf dem Symposion am Abend verlangten sie, dass
die Frauen des Hofes kommen und ihnen Gesellschaft leisten sollten. Das war
eine schwere Beleidigung, doch Amyntas fügte sich. Die Gesandten zwangen die
Frauen, sich zu ihnen auf die Klinen zu setzen, und betatschten sie. Alexander
war empört. Er war damals noch ein Junge, doch als er sah, dass sein Vater sich
nicht zu wehren wagte, bat er ihn, ihm die weitere Bewirtung der Gäste zu
überlassen. Nachdem Amyntas sich zurückgezogen hatte, schickte Alexander als
Erstes die Frauen hinaus, unter dem Vorwand, sie sollten sich für die Gäste
erst noch besonders schön machen. Dann rief er seine Freunde zusammen, Jungen
in seinem Alter, die noch keinen Bart hatten. Sie zogen Frauenkleider an und
setzten sich anstelle der Frauen zu den Gästen. Sobald die wieder zudringlich
wurden, zogen sie ihre Dolche und schnitten ihnen die Kehlen durch. Die Leichen
ließ Alexander verschwinden. Die Perser erfuhren nie, was aus ihrer
Gesandtschaft geworden war.“
Philipps Grinsen vertiefte sich. „Alexander war gerissen. Er
hat diese Geschichte verbreitet, um davon abzulenken, dass der alte Amyntas
sich damals den Persern unterworfen hat.“
„Heißt das, die Geschichte ist nicht wahr?“, fragte
Alexander enttäuscht.
Der König zuckte die Achseln. „Wer weiß. Jedenfalls gab
Alexander seine Schwester Gygaia einem hohen persischen Würdenträger zur Frau,
und als Xerxes mit seinem Heer den Hellespont überschritt, durch Thrakien und
Makedonien marschierte und weiter nach Süden vordrang, leistete er ihm
Heeresfolge.“
„Nur, weil er musste. In Wirklichkeit stand er aufseiten der
Griechen. Am Abend vor der Schlacht bei Plataiai ritt er heimlich in ihr Lager,
um sie vor dem persischen Angriff am nächsten Tag zu warnen.“
„Aber vorher, als Xerxes den Athenern ein Ultimatum stellte,
wollte er ihnen einreden, ihr Widerstand sei zwecklos, sie sollten sich lieber
ergeben.“
Alexander verzog das Gesicht.
Philipp beugte sich vor und legte ihm die Hand auf den Arm.
„Sei nicht so enttäuscht! Alexander hatte damals keine Wahl. Xerxes hatte
angeblich eine Million Krieger unter seinem Befehl. Sich ihm zu widersetzen,
wäre Selbstmord gewesen. Alexander tat, was für sein Land das Beste war. Genau
wie sein Sohn und Nachfolger Perdikkas. Als die Athener und die Spartaner
jahrzehntelang Krieg gegeneinander führten und ganz Griechenland mit
hineinzogen, wechselte er ständig die Seiten. So verhinderte er, dass
Makedonien zwischen den Fronten zerrieben wurde wie so viele andere Staaten.“
Er lehnte sich wieder zurück und rieb sich grinsend das Kinn. „Perdikkas war
ein Schlitzohr, und sein Sohn Archelaos war sogar noch schlimmer. Sicher hat
dir Eurydika ausführlich von seinen Schandtaten erzählt. Ich fürchte, sind sie
alle wahr.“
„Die Geschichtsschreiber sagen, dass
Weitere Kostenlose Bücher