Eine Krone für Alexander (German Edition)
Archelaos mehr für das
Land getan hat als alle seine Vorgänger zusammen“, berichtete Alexander eifrig.
„Er hat Städte gegründet, Straßen und Festungen gebaut und die Hauptstadt nach
Pella verlegt. An seinem Hof versammelte er griechische Künstler, Dichter und
Philosophen. Außerdem begründete er die Festspiele in Dion.“
„Der alte Halunke hatte sogar die Stirn, sie Olympische
Spiele zu nennen, weil Dion am Fuß des Olymp liegt“, kicherte Philipp.
„Jedenfalls hat er unser Land auf Vordermann gebracht. Bis dahin war Makedonien
nämlich ziemlich rückständig gewesen. Archelaos war vielleicht ein schlechter
Mensch, aber ein guter König.“ So, wie er es sagte, klang es durchaus anerkennend.
„Nach seinem Tod versank das Land für viele Jahre im Chaos, und alle
Fortschritte, die unter Archelaos erzielt worden waren, gingen wieder verloren.
Erst mein Vater Amyntas hat wieder für Stabilität gesorgt. Seine Herrschaft war
vielleicht nicht so spektakulär wie die von Alexander dem Griechenfreund oder
von Archelaos, aber er hat das Land über mehr als zwanzig Jahre
zusammengehalten. Er schaffte es sogar, eines natürlichen Todes zu sterben, und
das will in unserer Position etwas heißen.“ Philipp sah Alexander prüfend an.
„Was hat dir Eurydika über seine Nachfolger erzählt?“
„Dass erst sein ältester Sohn Alexander König wurde und nach
dessen Tod sein Bruder Perdikkas.“
„Hat sie etwas über Ptolemaios gesagt?“
„Nicht viel, aber ich weiß, dass er Regent für Perdikkas war
und der ihn umbrachte, als er volljährig wurde.“
Philipps Augen hatten sich inzwischen zu Schlitzen verengt,
auch dasjenige, das nur noch aus einer leeren Augenhöhle bestand. „Hat sie
erwähnt, warum?“
Alexander erinnerte sich, wie abweisend Eurydika bei diesem
Thema geworden war. „Sie wollte nicht darüber reden.“
Philipp starrte eine Zeitlang vor sich hin. Dann sagte er:
„Irgendwann wirst du es ohnehin erfahren. Deshalb ist es besser, du hörst es
von mir als durch böswilliges Getratsche. Ptolemaios war mit meiner Schwester
Eurynoa verheiratet, aber es gab Gerüchte, er sei Eurydikas Geliebter gewesen.
Jedenfalls hat sie ihn nach dem Tod von Amyntas und Eurynoa geheiratet.“
Alexander starrte seinen Vater an. Plötzlich schien alles
einen Sinn zu ergeben: Eurydikas Weigerung, über Ptolemaios zu sprechen; ihre
Einsilbigkeit, wenn von Eurynoa die Rede war. Gleichzeitig fiel ihm ein, wie
sie sich entrüstet hatte, dass Archelaos seine Stiefmutter Kleopatra geheiratet
hatte. Die Mutter seines Halbbruders! Geschmacklos,
nicht?
Philipp fuhr fort: „Nachdem mein ältester Bruder Alexander
König geworden war, zog er mit einem Heer nach Thessalien und besetzte Larissa
und Krannon. Ptolemaios nutzte seine Abwesenheit, um das Volk gegen ihn
aufzuwiegeln. Alexander musste umkehren und die Thebaner um Vermittlung bitten.
Kurz darauf wurde er ermordet, und natürlich fiel der Verdacht auf Ptolemaios.
Und auf Eurydika.“
Nun verstand Alexander, warum alle Menschen, die er kannte,
Angst vor seiner Großmutter zu haben schienen. „Meinst du, es stimmt?“, flüsterte
er. „Ich meine, dass sie ihren eigenen Sohn umgebracht hat?“
„Ich weiß es nicht“, gab Philipp zu. „Es hieß auch, sie habe
ein Komplott gegen Amyntas geschmiedet und Eurynoa beiseite geräumt, um Ptolemaios
für sich zu haben. Ich kann dir beim besten Willen nicht sagen, ob das alles
stimmt. Sicher hatte sie so einiges auf dem Kerbholz, aber vielleicht hat man
noch ein paar Geschichten dazuerfunden.“ Er gab ein kurzes Lachen von sich, das
zynisch und freudlos klang. „Zum Beispiel hieß es, sie habe auch Perdikkas
beseitigt, um als Regentin für seinen Sohn herrschen zu können. Das ist auf
jeden Fall Unsinn. Perdikkas fiel in einer Schlacht gegen die Illyrer, zusammen
mit viertausend seiner Krieger. Ich wüsste nicht, wie Eurydika das
bewerkstelligt haben sollte. Sicher ist aber, dass sie mit Ptolemaios gemeinsame
Sache machte. Mich haben sie als Geisel zu den Thebanern verfrachtet, damit die
stillhielten und Eurydika und Ptolemaios in Makedonien freie Bahn hatten. Ich
war damals fünfzehn Jahre alt.“
Er starrte wortlos vor sich hin, ganz in seinen Erinnerungen
versunken. Plötzlich verstand Alexander, warum er seiner Mutter immer mit so
großer Kälte begegnete. Schließlich schien Philipp aus den Tiefen seiner
Gedanken wieder aufzutauchen. Sein Auge richtete sich auf Alexander und
fixierte ihn.
„Es ist besser, wenn
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