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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Versicherungsgeschäfte getätigt wurden. William Hogarths Vater wiederum kam auf die Idee, ein Kaffeehaus zu eröffnen, in dem nur Latein gesprochen wurde. Es machte spektakulär pleite — »toto bene« hätte Mr. Hogarth vielleicht gesagt, wenn auch nicht über die Jahre, die er danach im Schuldgefängnis schmorte.
    Obgleich bei Gründung der Ostindienkompanie Pfeffer und Salz Pate standen, war deren Schicksal der Tee. Zwischen 1699 und 1721 wuchsen die Teeimporte um etwa das Hundertfache, von knapp 11000 Pfund auf fast eine Million, dann vervierfachten sie sich in den dreißig Jahren bis 1750 noch einmal. Zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot tranken Arbeiter Tee, und feine Damen nippten daran. Es war das erste Getränk in der Geschichte, das nicht klassenspezifisch war, und das erste, das ein festes Ritual zu einer bestimmten Zeit des Tages begründete: die tea time. Tee war auch leichter zu Hause zuzubereiten als Kaffee und passte besonders gut zu einer anderen Gaumenfreude, die für den Durchschnittsverdiener plötzlich erschwinglich wurde: dem Zucker. Bald liebten die Briten süßen, milchigen Tee wie keine andere Nation je zuvor. Über eineinhalb Jahrhunderte bildete der Handel mit Tee das Kernstück der Ostindienkompanie, und die Ostindienkompanie bildete ein Kernstück des Britischen Empire.
    Nicht jeder kapierte sofort, was er mit dem Tee anfangen sollte. Der Dichter Robert Southey erzählte die Geschichte einer Dame auf dem Land, die ein Pfund von einem Freund in der Stadt geschenkt bekam, als dieses herrliche Kraut noch sehr neu war. Unsicher, wie sie damit umgehen sollte, kochte sie die Blätter in einem Topf, strich sie mit Butter und Salz auf Toast und servierte das Ganze ihren Freundinnen, die bereitwillig daran knabberten und es für interessant, aber nicht recht nach ihrem Gusto erklärten. Andernorts jedoch entwickelte sich der Teekonsum, zusammen mit Zucker, rasant.
    Die Briten hatten Zucker schon immer geliebt, so sehr, dass sie ihn, als sie ihn zu Zeiten Heinrich VIII. zum ersten Mal bekamen, auf alles streuten, auf Eier, Fleisch und sogar in Wein. Sie häuften ihn auf Kartoffeln und Gemüse, und futterten ihn, wenn sie es sich leisten konnten, löffelweise pur. Obwohl er sehr teuer war, konsumierten ihn die Leute, bis ihre Zähne schwarz wurden, und wenn das nicht auf natürlichem Wege geschah, halfen sie mit künstlichen Mitteln nach, weil sie zeigen wollten, wie reich sie waren und wie herrlich luxuriös sie lebten. Doch dann wurde Zucker dank der Plantagen auf den Westindischen Inseln zunehmend erschwinglich, und die Leute entdeckten rechtzeitig, dass er besonders gut im Tee schmeckte.
    Am süßen Tee labte sich die ganze Nation. 1770 belief sich der Pro-Kopf-Konsum von Zucker schon auf achtzehn Pfund, und das meiste davon wanderte anscheinend in den Tee. (Das klingt ziemlich viel, wenn man nicht weiß, dass die Briten heute pro Person jährlich über siebzig Pfund Zucker konsumieren, während die US-Amerikaner satte einhundertfünfzehn Pfund vertilgen.) Wie Kaffee hielt man Tee für gesundheitsfördernd, neben vielem anderen »linderte« er angeblich »Schmerzen beim Stuhlgang«. Ein holländischer Arzt, Cornelius Bontekoe, empfahl den Konsum von fünfzig Tassen am Tag und in extremen Fällen von bis zu zweihundert, wenn man fit bleiben wollte.
    Zucker spielte auch eine große Rolle in einer weniger löblichen Entwicklung: dem Sklavenhandel. Fast der gesamte Zucker, den die Briten konsumierten, wuchs auf den Plantagen der Westindischen Inseln, auf denen Sklaven arbeiteten. Wir neigen dazu, die Sklaverei ausschließlich mit der Plantagenwirtschaft im Süden der Vereinigten Staaten in Verbindung zu bringen, aber in Wirklichkeit wurden jede Menge andere Leute reich an der Sklaverei, nicht zuletzt die Händler, die 3,1 Millionen Afrikaner über den Ozean deportierten, bis diese Art Menschenhandel, wenn auch nicht die Sklavenhaltung selbst, im Jahre 1807 abgeschafft wurde.
    Auch in den britischen Überseegebieten liebte und schätzte man den Tee, auf den in Amerika als Teil der verhassten Townshend-Steuern Abgaben an das Mutterland geleistet werden mussten. Als die Townshend-Steuern 1770 abgeschafft wurden, nur die auf den Tee nicht, erwies sich das als fatale Fehlentscheidung. Man wollte aber die Kolonisten auch daran gemahnen, dass sie der Krone untertan waren. Alle US-Amerikaner wissen genau, was dann passierte Am sechzehnten Dezember 1773 ging eine Gruppe von etwa achtzig Kolonisten,

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