Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
Hätte man ihn ertappt, wäre er ins Gefängnis gewandert und vielleicht sogar einen Kopf kürzer gemacht worden. Fortune, der keine der chinesischen Sprachen sprach, mogelte sich um das Problem herum, indem er stets vorgab, aus einer weit entfernten Provinz zu stammen, in der eine andere Sprache gesprochen wurde. Und so lernte er denn auf seinen Reisen nicht nur die Geheimnisse der Teeherstellung kennen, sondern brachte auch viele wertvolle Pflanzen mit ins Abendland, darunter die Fächerpalme, die Kumquats und mehrere Azaleen- und Chrysanthemenarten.
    Unter seiner Leitung begann man in Indien in diesem kurios unumgänglichen Jahr 1851 mit der Teeproduktion, genauer, mit dem Setzen von 20000 Jungpflanzen und Ablegern. In einem halben Jahrhundert — von null im Jahre 1850 — stieg die Teeerzeugung in Indien auf über sechzig Millionen Kilo pro Jahr.
    Für die Ostindiengesellschaft freilich gingen die glorreichen Zeiten abrupt und unrühmlich zu Ende. Schuld an allem hatte ein Gewehr, die Enfield P53. Es war altmodisch, der Typ, bei dem man zum Laden das Schießpulver in den Lauf kippte. Das Schießpulver wurde in eingefetteten Papierpatronen geliefert, die man aufbeißen musste, und als sich unter den einheimischen Sepoys, wie man die Soldaten nannte, das Gerücht verbreitete, dass das benutzte Fett von Schweinen und Kühen stamme, war die Empörung groß. Ja, für muslimische und hinduistische Soldaten war es ein absoluter Horror, diese Gewehre zu benutzen, weil ihrem Glauben nach selbst der unwissentliche Kontakt mit solchen Fetten sie zu ewiger Verdammnis verurteilte. Die Verantwortlichen in der Ostindiengesellschaft reagierten auf das Problem haarsträubend unsensibel. Sie zerrten mehrere indische Soldaten, die sich weigerten, die neuen Patronen anzufassen, vor ein Kriegsgericht und drohten, alle zu bestrafen, die nicht gehorchten.Was die Betroffenen nun zu der Überzeugung trieb, dass hier eine christliche Verschwörung im Gange sei, sie ihres Glaubens zu berauben und zwangszukonvertieren. Durch einen unglücklichen Zufall waren seit kurzer Zeit zudem christliche Missionare in Indien aktiv, was den Argwohn weiter schürte. 1857 rebellierten die Sepoys und erhoben sich gegen ihre britischen Herren, und da sie viel zahlreicher waren, brachten sie sehr viele um. In Kanpur trieben sie zweihundert Frauen und Kinder in das Bibighar, das Frauenhaus, und hackten sie in Stücke. Andere unschuldige Opfer, hieß es, wurden in Brunnen geworfen und ertranken.
    Als diese Greueltaten britischen Ohren zu Gehör kamen, folgte die Rache prompt und gnadenlos. Aufständische Inder wurden gejagt und auf Arten und Weisen vom Leben zum Tode befördert, die Angst und Schrecken verbreiten sollten. Ein, zwei band man vor den Lauf von Kanonen und schoss die ab (wurde jedenfalls kolportiert); unzählige wurden erschossen oder im Schnellverfahren gehängt. Die gesamte Episode erschütterte Großbritannien zutiefst. Unmittelbar nach dem Aufstand erschienen über fünfhundert Bücher darüber. Indien, so die einhellige Meinung, war ein zu großes Land und ein zu großes Problem, um es einem Geschäftsunternehmen zu überlassen. Die Herrschaft über Indien ging an die Britische Krone, und die Ostindiengesellschaft wurde abgewickelt.
    All die neuen Lebensmittel landeten zu Hause in England auf dem Esstisch, der in einem neuen Zimmer stand, dem Esszimmer. Das Esszimmer bekam seine moderne Funktion Ende des siebzehnten Jahrhunderts, in vielen Häusern wurde es aber erst viel später zur festen Einrichtung. Samuel Johnson nahm den dining room in sein 1755 erschienenes Wörterbuch schon auf. Als Thomas Jefferson in Monticello einen einrichtete, war das hypermodern. Bis dato waren die Mahlzeiten an kleinen Tischen in dem Zimmer serviert worden, das am geeignetsten war.
    Dabei entstand das Esszimmer nicht aus dem plötzlich allenthalben anzutreffenden Bedürfnis, in einem bestimmten, ausschließlich diesem Zweck dienenden Zimmer zu speisen, sondern eigentlich nur aus dem schlichten Wunsch der Hausherrin, ihre hübschen neuen Polstermöbel vor Schändung zu bewahren. Polstermöbel waren, wie wir im vorigen Kapitel erfahren haben, teuer, und das Letzte, was die stolze Besitzerin wollte, war, dass jemand seine Schmierfinger daran abwischte.
    Mit dem Esszimmer aber änderte sich nicht nur die Art, wie das Essen serviert, sondern auch, wie und wann es eingenommen wurde. Zum einen benutzte man plötzlich mehr Gabeln. Die gab es zwar schon seit langem,

Weitere Kostenlose Bücher