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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Eisenbahn-Endbahnhöfe miteinander zu verbinden und die etwa achtzehn Kilometer lange »Grand Girdle Railway« zu bauen, meinte er, man solle sie vielleicht unter Glas bauen, damit die Fahrgäste nicht mit der ungesunden Londoner Luft in Kontakt kämen. Augenscheinlich fand er es besser, sich unter Glas in dem dichten Qualm der Lokomotiven aufzuhalten als draußen in dem dichten Rauch von allem anderen.*
    Kohlenrauch zog praktisch alles in Mitleidenschaft — Kleidung, Gemälde, Pflanzen, Möbel, Bücher, Gebäude und die Atemwege. In Wochen mit richtig schlimmem Nebel wurden leicht tausend Sterbefälle mehr registriert als sonst. Selbst auf dem Smithfielder Fleischmarkt verendeten mehr Haustiere und mehr Vieh.
    Auch die Steinbauten litten sehr. Neue strahlend saubere Gebäude verdreckten in Besorgnis erregendem Tempo. PortlandStein nahm ein verstörend scheckiges Aussehen an, denn Mauern, die Wind und Regen ausgesetzt waren, blieben wunderbar weiß, doch die Stellen unter den Gesimsen und Türstürzen beziehungsweise sonst wie geschützte Flächen waren schnell schmutzig schwarz. Für den Buckingham Palast hatte Nash Bath-Stone genommen, weil er dachte, der sei strapazierfähiger. Da irrte er sich. Er fing fast sofort an zu bröckeln. Zur Rettung zog man einen weiteren Architekten, Edward Blore, zurate, der einen neu-
    *Wirklich niemand hat unser Bild des viktorianischen London so geprägt wie der französische Illustrator Gustave Dort (1833-83); siehe Zeichnung auf S. 268 Es ist ein wenig verwunderlich, dass Doré sich dieses Sujets annahm, denn er sprach kaum ein Wort Englisch und verbrachte auch nicht viel Zeit in Großbritannien. Sein Privatleben war ein wenig bizarr, denn er hatte eine Reihe heißer Affären mit Schauspielerinnen — Sarah Bernhardt war seine berühmteste Eroberung —, lebte aber immer bei seiner Mutter und schlief sein ganzes Leben lang in einem Zimmer neben ihrem. Er selbst betrachtete sich als großen Maler, der Rest der Welt leider nicht, und so musste er sich damit begnügen, ein extrem erfolgreicher Illustrator von Büchern und Zeitschriften zu werden. In England war er sehr populär — in Mayfair gab es viele Jahre lang eine Galerie, die ausschließlich mit seinen Werken handelte —, und mit seinen düsteren Zeichnungen des Lebens in London, besonders der Elendsszenen in den engen Gassen, ist Gustave Dort der Nachwelt letztlich auch in Erinnerung geblieben. Interessanterweise gründet sich unsere visuelle Vorstellung des London aus dem neunzehnten Jahrhundert, vor der Zeit der Fotografie also, zu einem großen Teil auf Zeichnungen eines Künstlers, der nach dem Gedächtnis in einem Studio in Paris arbeitete und vieles falsch darstellte. Was wiederum Blanchard Jerrold, den Mann, der die Texte zu den Zeichnungen schuf, in den Wahnsinn trieb. (Und wem der Name Jerrold vage bekannt vorkommt — der Mann ist der Sohn des Journalisten des Punch, der die Ausstellungshalle zur Weltausstellung als Erster Kristallpalast nannte.)
    en Flügel aus Caen-Stein baute und Nashs Hof auf allen Seiten schloss. Aber auch der neue Flügel zerbröckelte in Windeseile. Alarmierender war allerdings das neue Parlamentsgebäude, wo der Stein, schon während der Bau in die Höhe wuchs, schwarz wurde und erschreckende Löcher und Dellen bekam, als habe er unter Beschuss gelegen. Verzweifelt versuchte man, den Verfall aufzuhalten. Man bestrich die Oberfläche mit verschiedenen Mischungen aus Klebstoffen, Harzen, Leinöl und Bienenwachs, doch entweder bewirkten sie gar nichts, oder es entstanden noch bedenklichere Verfärbungen.
    Nur zwei Materialien schienen unempfindlich gegen die aggressiven ätzenden Säuren zu sein. Zum einen ein bemerkenswerter Kunststein namens Coade-Stein (so benannt nach Eleanor Coade, der Besitzerin der Fabrik, in der er hergestellt wurde), der ungeheuer beliebt und zwischen 1760 und 1830 von allen führenden Architekten verwendet wurde. Coade-Stein war praktisch unzerstörbar und konnte zu jeder Art Fassadenschmuck verarbeitet werden zu Friesen, Arabesken, Kapitellen, Konsolen und allem, was man sonst hätte meißeln müssen. Am bekanntesten ist vielleicht der große Löwe auf der Westminster Bridge unweit des Parlaments, der ganz aus Coade-Stein besteht. Er kam allenthalben zum Einsatz: am Buckingham Palast, in Windsor Castle, amTower, sogar für den Grabstein von Captain Bligh (ja, dem von der Bounty!) auf dem Friedhof der Kirche St. Mary-at-Lambeth in London.
    Coade-Stein fühlt sich

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