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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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eine imposante Statur beeindrucken. Er hatte, wie ein erschreckend harscher Zeitgenosse sagte, ein »Gesicht wie ein Affe« und nicht die feinen Manieren, die den Weg zum Erfolg ebneten, ergatterte aber, wer weiß, warum, eine traumhafte Lehrstelle im Büro von Sir Robert Taylor, einem der führenden Architekten der Zeit.
    Kaum fertig mit seiner Ausbildung setzte er beherzt alles auf eine Karte und entwarf und baute 1778 zwei Häusergruppen in Bloomsbury, die zu den allerersten in London gehörten (wenn sie nicht gar die ersten waren), die mit Stuck verputzt wurden. Leider war die Welt noch nicht bereit für stuckverputzte Häuser, und sie verkauften sich nicht. (Eines blieb zwölf Jahre leer.) Ein solcher Schlag war gewiss schon schwer zu verkraften, doch gleichzeitig hatte Nash auch privat enormes Pech. Seine junge Gattin war nämlich doch nicht die gute Partie, die er erhofft hatte. Sie machte bei Schneidern und Hutmachern in ganz London horrende Schulden, die er nicht bezahlen konnte, und er wurde zwei Mal als Schuldner arretiert. Damit nicht genug, entdeckte er, während er sich aus den juristischen Querelen zu befreien versuchte, dass sie sich anderweitig heftig amüsierte, auch mit einem seiner ältesten Freunde, und dass seine beiden Kinder mit ihr aller Wahrscheinlichkeit weder seine noch die eines einzigen anderen Mannes waren.
    Finanziell ruiniert und vermutlich einen Hauch niedergeschlagen, trennte er sich von Frau und Kindern (was aus ihnen wurde, weiß man nicht) und zog nach Wales, wo er sich eine neue, bescheidenere Karriere als Architekt aufbaute und sein Leben offenbar mit dem Bau von Provinzrathäusern und anderen städtischen Gebäuden zu Ende bringen wollte.
    Ein paar Jahre ging auch alles diesen Gang. Doch 1797, im deutlich fortgeschrittenen Alter von sechsundvierzig, kehrte er nach London zurück, ehelichte eine viel jüngere Dame, wurde ein enger Freund des Prinzen von Wales — des zukünftigen Königs George IV. — und einer der bedeutendsten und einflussreichsten Architekten, die es je gab. Woher dieser plötzliche Wandel kam, ist immer ein Geheimnis geblieben. Weit verbreitete Gerüchte besagten, dass seine neue Gattin die Geliebte des Prinzregenten und Nash der Alibigatte war. Die Vermutung ist nicht abwegig, denn Mrs. Nash war eine große Schönheit, er aber mit der Zeit nicht hübscher geworden: von »dicker, untersetzter, zwergenhafter Statur, mit rundem Kopf, Stupsnase und kleinen Augen«, wie er selbst sagte. Doch als Architekt war er ein Genie, und beinahe umgehend begann er mit dem Bau einer Reihe außergewöhnlich kühner Gebäude, die von großem Selbstbewusstsein zeugten. In Brighton verwandelte er eine spießige Immobilie namens Marine Pavilion in einen in seiner Farbenpracht geradezu explodierenden Bau mit vielen Kuppeln, den Brighton Pavilion.
    Außer vielleicht der deutschen Luftwaffe hat niemand mehr zur Veränderung Londons beigetragen als John Nash in den folgenden dreißig Jahren. Er schuf den Regent's Park und die Regent Street und viele, viele Straßen und Häuserreihen darum herum, die der Stadt ein nobles, imperiales Aussehen verliehen, das sie bis dato nicht besessen hatte. Er baute den Oxford und den Piccadilly Circus und schuf aus dem unbedeutenden Buckingham House den Buckingham Palace. Die Fertigstellung des Trafalgar Square, den er auch geplant hat, erlebte er leider nicht mehr. Fast alles, was er baute, bedeckte er natürlich mit Stuck.
    II.
    Backstein wäre vielleicht für immer als Baumaterial verdrängt worden, wenn man nicht eines urplötzlich hätte bedenken müssen: die Luftverschmutzung. Zu Beginn der Viktorianischen Ära wurden ungeheure Mengen Kohle in England verheizt. Eine typische Bürgerfamilie verbrauchte bis zu einer Tonne im Monat, und um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gab es schon recht viele Bürgerfamilien im Land. Großbritannien insgesamt verbrauchte 1842 zwei Drittel aller in der westlichen Welt geförderten Kohle. Mit dem Resultat, dass in London über weite Strecken des Jahres eine fast undurchdringliche Düsternis herrschte. In einer Sherlock-Holmes-Geschichte muss Holmes mitten am Tage ein Streichholz anzünden, um etwas zu lesen, das auf einer Londoner Mauer steht. Oft war es so schwierig, den Weg zu finden, dass man gegen Wände rannte oder in unsichtbare Löcher plumpste. Berühmt wurde ein Vorfall, bei dem sieben Leute, einer nach dem anderen, in die Themse fielen. Als Joseph Pax-ton 1854 vorschlug, alle wichtigen

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