Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
der Straße oder dem Bezirk abgeleitet, in der oder dem sie sich befand, zum Beispiel Bensonhurst, Hollywood oder Pennsylvania Avenue, aber manche Vermittlungen nannten sich auch nach Bäumen oder anderen Dingen, und der Anrufer bat die Telefonistin dann, ihn mit »Pennsylvania 6-5000« (wie in dem Glenn-Miller-Klassiker) oder »Bensonhurst 5342« zu verbinden. Als man von 1921 an auch direkt wählen konnte, wurden die Namen zu Zwei-Buchstaben-Vorwahlen verkürzt, und man gewöhnt e sich an, diese Buchstaben großzuschreiben, wie in H011ywood oder BEnsonhurst.
Das System entbehrte nicht eines gewissen Charmes, wurde aber immer unpraktischer. Viele Namen — RHinelander oder SYcamore — führten auch leicht zu Verunsicherung bei den der Rechtschreibung weniger Kundigen. Die Buchstaben erschwerten es außerdem, direkte Durchwahlen aus dem Ausland einzuführen, denn ausländische Telefone hatten gar nicht alle Buchstaben, oder die Buchstaben und Ziffern waren in einer anderen Reihenfolge angeordnet. Mit Beginn des Jahres 1962 wurde das alte System allmählich aufgegeben.
Unmöglich zu sagen, wann das alte Pfarrhaus ein Telefon bekam, doch seine Installation war zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sicher ein aufregendes Ereignis für manchen Pfarrer und seine Familie. Heute ist die Nische leer. Die Tage, als Häuser ein einziges Telefon am Fuß der Treppe hatten, sind längst passé, und heute will auch niemand mehr an einem so wenig privaten und unbequemen Ort telefonieren.
Der enorme Reichtum in den Vereinigten Staaten erlaubte es so manchem Zeitgenossen, dass er auch seinen verschrullteren Launen nachgehen konnte. George Eastman (der mit den Filmen und Kameras) heiratete nie und lebte mit seiner Mutter in einem riesigen Haus in Rochester im Staate New York zusammen, hielt aber viele Bedienstete, einschließlich eines Hausorganisten, der ihn — und vermutlich ganz Rochester — im Morgengrauen mit einem Rezital auf einem gigantischen Harmonium der New Yorker Aeolian Company weckte. Eastmans andere liebenswürdige Marotte war es, sich im oberen Stockwerk seines Hauses in seiner Küche eine Schürze umzubinden und Pasteten zu backen.
Extremer noch war wohl John M. Longyear aus Marquette in Michigan. Als er erfuhr, dass die Duluth, Mesabi & Iron Range Railroad das Recht erworben hatte, Schienen, auf denen Eisenerz transportiert werden sollte, direkt an seinem Haus vorbeizulegen, ließ er sein gesamtes Anwesen abtragen und einpacken — »Haus, Gebüsch, Bäume, Brunnen, künstliche Gewässer, Hecken und Einfahrten, Pförtnerhaus, Wagenauffahrt, Gewächshäuser und Ställe«, erzählt ein bewunderungsvoller Biograf — und alles nach Brookline in Massachusetts bringen, wo er seine vorherige ruhige Existenz mit auch der letzten Blumenzwiebel, aber ohne an seinen Fenstern vorbeiratternde Züge weiterführte. Im Vergleich dazu wirkt das Bravourstück von Frank Huntington Beebe, zwei Villen nebeneinander zu unterhalten — eine zum Wohnen, die andere, um sie über und über zu dekorieren —, anerkennenswert gemäßigt.
Im engagierten Geldausgeben war Mrs. E.T. Stotesbury Queen Eva, wie sie genannt wurde — nicht zu schlagen. Sie hielt den Wirtschaftskreislauf ganz allein in Gang. Einmal gab sie eine halbe Million Dollar aus und lud eine Gruppe von Freunden auf einen Jagdausflug ein, nur um so viele Alligatoren zu erlegen, dass sie ein Set mit Koffern und Hutschachteln herstellen lassen konnte. Bei einer anderen Gelegenheit ließ sie das gesamte Erdgeschoss ihres Hauses El Mirasol in Florida über Nacht neu einrichten, verzichtete aber darauf, ihren leidgeprüften Gatten davon in Kenntnis zu setzen, so dass der am nächsten Morgen beim Herunterkommen eine Zeitlang nicht recht wusste, wo er eigentlich war.
Dieser Gatte, Edward Townsend Stotesbury, erwarb sein Vermögen als Manager im Bankimperium von J.P. Morgan. Obwohl er ein ausgezeichneter Banker war, machte er persönlich nicht viel her. Er war, mit den Worten eines Chronisten, »ein würdevolles Loch in der Atmosphäre, die unsichtbare Hand, die die Schecks ausstellte«. Als er 1912 Mrs. Stotesbury kennenlernte, besaß er fünfundsiebzig Millionen Dollar. Doch sie, die kürzlich erst den guten Willen und das Bankkonto ihres ersten Gatten, Mr. Oliver Eaton Cromwell, erschöpft hatte, half ihm mit schwindelerregender Effizienz, fünfzig Millionen seines Vermögens für neue Häuser auszugeben. Sie begann mit Whitemarsh Hall in Philadelphia, einem Haus, das so
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