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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Stil, ein venezianischer Palazzo, ein maurischer Palast oder eine festliche Mischung aus allen dreien war. Mizner war vernarrt in den verlotterten Look italienischer Palazzi und machte seine eigenen Kreationen älter, indem er mit dem Handbohrer künstliche Wurmlöcher ins Holz bohrte und die Wände mit dekorativen Flecken verschandelte, die einen hübschen Renaissance-Pilzbewuchs vortäuschen sollten. Wenn seine Arbeiter ein handwerklich wunderschönes Kaminsims oder eine Tür geschaffen hatten, nahm er oft einen Vorschlaghammer und schlug eine Ecke ab, damit das Teil ein altehrwürdiges, abgenutztes Aussehen bekam. Einmal verwendete er Löschkalk und Schellack, um ein paar Lederstühle im Everglades Club älter zu machen. Leider wurde durch die Körperwärme der darauf Sitzenden der Schellack wieder richtig schön klebrig, und mehrere Gäste mussten bemerken, dass sie an Po und Rücken festhingen. »Ich habe die ganze Nacht Damen von den verdammten Stühlen gezogen«, erinnerte sich Jahre später ein Kellner aus dem Club. Mehrere Frauen büßten die Rückenteile ihrer Kleider ein.
    Trotz dieser Eigenheiten wurde Mizner überall bewundert. Bisweilen arbeitete er gleichzeitig an mehr als einhundert Projekten; Gerüchte besagten, dass er pro Tag mehr als ein Haus entwarf. »Manche Kritiker«, schrieb ein Chronist im Jahre 1952, »zählen seinen Everglades Club in Palm Beach und sein Cloister in Boca Raton zu den schönsten Gebäuden in den Vereinigten Staaten.« Auch Frank Lloyd Wright war ein Fan von ihm. Aber im Laufe der Zeit wurde Addison Mizner immer starrsinniger und exzentrischer. In Palm Beach sah man ihn in Morgenmantel und Pyjama shoppen. 1933 starb er an einem Herzinfarkt.
    Der Börsenkrach an der Wall Street 1929 machte so manch berühmtem Exzess der Zeit ein Ende. E.T. Stotesbury traf es besonders hart. Bei dem vergeblichen Versuch, seine Konten ins Gleichgewicht zu bringen, flehte er seine Gattin an, ihre Ausgaben für Unterhaltung und Vergnügen auf 50000 Dollar im Monat zu beschränken, doch die gefürchtete Mrs. Stotesbury fand das eine grausame, inakzeptable Einschränkung. Ihr Gatte war auf geradem Wege in die Insolvenz, da fiel er am 16. Mai 1938 gnädigerweise tot um. Auch hier: Todesursache Herzinfarkt. Eva Stotesbury lebte noch bis 1946, musste aber Schmuck, Gemälde und Häuser verticken, um einen bescheidenen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Nach ihrem Tod kaufte ein Spekulant El Mirasol und riss es ab, um mehrere Häuser auf dem Grundstück zu bauen. Zwanzig weitere Prachtbauten Mizners in Palm Beach — kurz, der Großteil seiner Kreationen — stehen heute ebenfalls nicht mehr.
    Den Villen Vanderbilts, mit denen wir diesen Überblick begonnen haben, erging es nicht viel besser. Die erste, die 1883 auf der Fifth Avenue erbaut worden war, demolierte man schon 1914 wieder, und 1947 waren alle perdu. In keiner der Landvillen der Familie lebte eine weitere Generation.
    Auch aus dem Inneren der Gebäude ist fast nichts erhalten. Als Jacob Volk, Chef des gleichnamigen Abbruchunternehmens, gefragt wurde, warum er die kostbaren Kamine aus Carrara-Mar>mor, die maurischen Kacheln, die Holzvertäfelungen aus der Zeit Jakobs I. und andere Kostbarkeiten aus der Residenz William K.
    Vanderbilts auf der Fifth Avenue nicht gerettet habe, schenkte er dem Fragenden einen vernichtenden Blick und sagte: »Ich handle nicht mit Zeug aus zweiter Hand.«

Elftes Kapitel
    Das Arbeitszimmer
    I.
    1897 nahm ein junger Eisenwarenhändler in Leeds, James Henry Atkinson, ein kleines Holzbrettchen, ein Stück steifen Draht und nicht viel sonst und schuf einen der großen Gebrauchsgegenstände der Menschheitsgeschichte: die Mausefalle. Sie gehört zu mehreren nützlichen Dingen — der Büroklammer, dem Reißverschluss oder der Sicherheitsnadel —, die Ende des neunzehnten Jahrhunderts erfunden wurden und von Anfang an so perfekt waren, dass sie seitdem kaum verbessert wurden. Atkinson verkaufte sein Patent für eintausend Pfund, ein sehr sattes Sümmchen für die Zeit, und erfand alles mögliche Andere, aber nichts, mit dem er mehr Geld oder Unsterblichkeit verdiente.
    Seine Mausefalle, die unter dem urheberrechtlich geschützten Namen »Little Nipper« (der »Kleine Nager« oder »Kleine Racker«) produziert wurde und wird, hat sich zigmillionenfach verkauft und macht auch heute noch Mäusen auf der ganzen Welt energisch und gnadenlos effizient den Garaus. Wir besitzen selbst mehrere »Little Nippers« und hören das

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