Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Gewicht Ihres Kissens, wenn es sechs Jahre alt ist (das Durchschnittsalter für Kissen), zu einem Zehntel aus Hautschüppchen, lebenden und toten Milben und Milbenkot besteht.
Unter den Bettmilben tummeln sich heute eventuell auch die viel gigantischeren Läuse, denn allem Anschein nach feiern diese einmal fast verschwundenen Gesellen ein Comeback. Wie bei den Ratten gibt es bei ihnen zwei Hauptarten: die Pediculus humanus capitis oder Kopflaus und die Pediculus corporis oder humanus humanus oder Kleiderlaus. Letztere sind relativ neu in der Szene der körperlichen Ärgerlinge. Sie haben sich irgenwann in den letzten 50000 Jahren aus den Kopfläusen entwickelt. Die Kopfläuse sind viel kleiner, nämlich ungefähr so groß wie ein Sesamkörnchen (und sehen auch mehr oder weniger so aus), und deshalb schwerer zu entdecken. Ein erwachsenes Kopflausweibchen legt drei bis sechs Eier pro Tag. Jede Laus kann etwa dreißig Tage leben. Die leeren Eihüllen geschlüpfter Läuse heißen Nissen. Läuse erweisen sich gegen Vernichtungsmittel als zunehmend resistent, und an ihrer häufigeren Verbreitung sind offenbar hauptsächlich die Niedrigtemperatur-Waschprogramme schuld. Dr. John Maunder vom Britischen Insektenkundezentrum erklärt dies so: »Wenn Sie verlauste Wäsche bei niedrigen Temperaturen waschen, bekommen Sie nur sauberere Läuse.«
Historisch ist der größte Schlafzimmerschrecken die Bettwanze — Cimex lectularius, wie der wissenschaftliche Name der kleinen Blutsauger lautet. Bettwanzen sorgten dafür, dass man nie allein schlief, und die Menschen wurden von Wanzen und dem Bemühen, sie loszuwerden, schier in den Wahnsinn getrieben. Als Jane Carlyle entdeckte, dass Bettwanzen die Schlafstätte ihres Hausmädchens befallen hatten, ließ sie sie auseinandernehmen und in den Garten tragen, wo jedes Teil in Chlorkalkwasser gewaschen und dann zwei Tage in Wasser getaucht blieb, damit alle Wanzen, die das Desinfizierungsmittel überlebt hatten, ertranken. Das Bettzeug wurde unterdessen in einen fest verschlossenen Raum gebracht und so lange mit Desinfektionspulver eingestäubt, bis keine Wanze mehr hervorkrabbelte. Erst dann baute man das ganze Bett wieder zusammen, und das Hausmädchen durfte sich erneut einem normalen Nachtschlaf hingeben, obwohl die Schlafstatt nun gewiss nicht nur für jedes Insekt, das es wagte zurückzukriechen, sondern auch für sie leicht toxisch war.
Selbst wenn Betten nicht sichtbar befallen waren, nahm man sie einmal im Jahr auseinander und strich sie zur Vorsicht mit Desinfektionsmittel oder Lack an. Hersteller warben oft damit, wie rasch und leicht ihre Betten zur jährlichen Wartung auseinandergenommen werden konnten. Im neunzehnten Jahrhundert wurden plötzlich Messingbetten beliebt, nicht weil man Messing für Bettgestelle plötzlich schick fand, sondern weil es Bettwanzen keinen Unterschlupf bot.
Wie Läuse feiern heute auch Bettwanzen .ein ungern gesehenes Comeback. Fast das gesamte zwanzigste Jahrhundert waren sie dank der zunehmenden Verwendung von modernen Insektenvernichtungsmitteln in großen Teilen Europas und Amerikas buchstäblich ausgestorben, doch seit ein paar Jahren kommen sie mit Macht zurück. Keiner weiß, warum. Vielleicht hat es mit dem häufigeren Reisen in alle Welt zu tun — dass die Leute sie in ihren Koffern mit zurückbringen —, oder mit der Entwicklung größerer Resistenz gegen das, mit dem wir sie besprühen. Einerlei, plötzlich sind sie wieder da. »Es gibt sie in manchen der besten Hotels in New York«, zitierte die New York Times einen Expertenbericht aus dem Jahre 2005. Der Artikel wies ausdrücklich darauf hin, dass die meisten Leute keine Erfahrung mit Bettwanzen haben und nicht wissen, worauf sie achten müssen, und sie deshalb erst bemerken, wenn sie aufwachen und feststellen, dass sie in einem ganzen Pulk liegen.
Wenn Sie die richtige Ausrüstung und eine ausreichend abartige Motivation hätten, könnten Sie Millionen und Milliarden anderer niedlicher Kreatürlein finden, die mit Ihnen zusammenleben — umfangreiche Asselnstämme, Spaltbeiner und -füßer, Blattbeiner, Tausendfüßer, Hundertfüßer, Wenigfüßer und andere beinahe unsichtbare Krümelchen. Manche sind praktisch unausrottbar und leben überall: Ein Insekt namens Niptus hololeucus oder Messingkäfer hat man putzmunter in Cayennepfeffer und in den Korken von Zyanidflaschen gefunden. Andere wie Mehl- und Käsemilben dinieren mehr oder weniger regelmäßig mit Ihnen.
Geht man zur
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