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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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nächstniedrigen Ebene von Lebewesen über, in die Welt der Mikroben, dann schnellen die Zahlen buchstäblich ins Unendliche. Allein Ihre Haut ist besiedelt von ungefähr einer Billion Bakterien. Weitere viele tausend Billionen tummeln sich in Ihnen, die meisten mit notwendigen und nützlichen Aufgaben beschäftigt, wie Nahrung im Darm zu zersetzen. Insgesamt haben Sie etwa eine Quadrillion (eine Eins mit 24 Nullen) einzelliger Bakterien im Körper. Wenn Sie sie herausnehmen und auf einen Haufen legen würden, ergäben das etwa dreieinhalb Pfund. Mikroben sind so allgegenwärtig, dass wir leicht vergessen, dass jedes moderne Haus mit schweren Metallgegenständen vollgestellt ist — Kühlschränken, Geschirrspül- und Waschmaschinen —, die ausschließlich dazu da sind, den Mikroben den Garaus zu machen oder sonst wie ihre Zahl klein zu halten. Keime aus unserem Leben zu vertreiben ist ein endloser täglicher Kampf für die meisten von uns.
    Der berühmteste Keimexperte der Welt ist ganz gewiss Dr. Charles P. Gerba von der University of Arizona, der so in seinem Arbeitsbereich aufgeht, dass er einem seiner Kinder Escherichia als zweiten Namen gegeben hat (nach dem Bakterium Escherichia coli). Dr. Gerba bewies vor einigen Jahren, dass Keime im Haushalt nicht immer dort am zahlreichsten vorkommen, wo wir sie vermuten. In einer berühmten Untersuchung maß er zum Beispiel den Bakterienbefall in verschiedenen Zimmern einzelner Häuser und stellte fest, dass im Durchschnittshaus meist die sauberste Fläche — der Toilettensitz war. Auf dem durchschnittlichen Desktopcomputer tummelten sich fünf Mal mehr Bakterien als auf dem durchschnittlichen Toilettensitz. Aber der wird ja auch häufiger mit Desinfektionsmittel abgewischt.
    Am schmutzigsten war das Spülbecken in der Küche, dicht gefolgt von der Arbeitsplatte, und den Vogel schoss das Abwaschtuch ab. Die meisten Abwaschtücher strotzen nur so von Bakterien, und wenn man mit ihnen Arbeitsplatten abwischt (oder Brotschneidebretter oder fettige Kinne, na ja, einerlei, was), überträgt man nur Mikroben von einem Ort zum anderen und bietet ihnen ein neues Ambiente, wo sie wachsen und gedeihen können. Am zweiteffizientesten verbreitet man Keime, wenn man die Toilette mit offenem Deckel spült, fand Gerba. Dabei werden nämlich Milliarden Mikroben in die Luft geschleudert. Viele bleiben dort und schweben, darauf wartend, eingeatmet zu werden, bis zu zwei Stunden lang wie winzige Seifenblasen herum, andere lassen sich auf Dingen wie Ihrer Zahnbürste nieder. Das ist natürlich noch ein guter Grund, den Deckel zu schließen.
    Der denkwürdigste Fund im Bereich der Mikroben war allerdings kürzlich der einer unternehmungslustigen Schülerin in Florida, die die Wasserqualität in den Toiletten von Fastfood-Restaurants mit der Qualität des Eises in den Getränken verglich und feststellte, dass in siebzig Prozent der Fälle das Wasser in den Toiletten sauberer als das Eis in den Trinkgläsern war.
    Besonders interessant an all den unendlich vielen Lebensformen ist wahrscheinlich, dass wir derartig wenig über sie wissen und das bisschen, was, erst seit jüngster Zeit. Obwohl zum Beispiel Millionen Bettmilben in jedem Bett existieren, wurden sie erst 1965 entdeckt. Noch 1947 konnte ein Medizinjournalist im New Yorker schreiben: »In diesem Land findet man Milben nur selten, bis vor Kurzem waren sie in New York praktisch unbekannt.« Dann kränkelten Ende der 1940er Jahre in einem Mietshauskomplex namens Kew Gardens in Queens, dem NewYorker Stadtbezirk, zahlreiche Bewohner und zeigten Grippe-Symptome. Die Krankheit wurde als »das mysteriöse Fieber von Kew Gardens« bekannt. Als ein aufmerksamer Schädlingsbekämpfer merkte, dass auch Mäuse krank wurden, entdeckte er bei genauerer Untersuchung, dass winzige Milben, die in deren Fell lebten — genau die Milben, die in den Vereinigten Staaten »praktisch unbekannt« waren —, die Hausbewohner mit Rickettsienpocken ansteckten.
    Eine ähnliche Ignoranz legte man auch lange Zeit für viele größere Lebewesen an den Tag, nicht zuletzt für eines der wichtigsten und am wenigsten verstandenen: die Fledermaus. Kaum jemand mag Fledermäuse, was eine regelrechte Schande ist, weil diese Flattermänner viel mehr Gutes als Böses tun. Gut für Ernte und Mensch: Sie fressen riesige Mengen Insekten. Kleine Braune Fledermäuse, die verbreitetste Art in Amerika, verleiben sich bis zu sechshundert Stechmücken pro Stunde ein, und winzige

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