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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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einer Kleinstadt im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten gemahnt, doch im England der Stuarts war es wahnsinnig frisch und modern. Plötzlich wirkte jedes Gebäude im Land überladen, als gehöre es zu einem anderen Zeitalter.
    Der Palladianismus wurde als typisch für die Georgianische Zeit gesehen, ja weitgehend identisch damit. Diese Epoche architektonischer Ordentlichkeit begann 1714 mit der Thronbesteigung George I. und währte über die Regierungszeiten noch dreier weiterer Georges sowie William IV., nach dessen Tod 1837 Victoria Königin wurde und eine neue Ära begann. Im wirklichen Leben ist natürlich nicht alles so fein säuberlich abgegrenzt. Ein Baustil ändert sich nicht, nur weil ein Monarch das Zeitliche segnet.
    Weil das Georgianische Zeitalter so lang war, ergaben sich verschiedene bauliche Verfeinerungen und Entwicklungen, die irgendwann wieder verschwanden oder auch unabhängig voneinander florierten, weshalb es manchmal unmöglich ist, eindeutig zwischen klassizistisch, Regency, Italianate oder Greek Revival und anderen Namen zu unterscheiden, die einen bestimmten Stil, eine Ästhetik oder eine Periode bezeichnen sollen. In den

    Vereinigten Staaten mochte man nach der Unabhängigkeit aus verständlichen Gründen den Begriff »Georgian« nicht mehr so richtig gebrauchen. Also prägte man den Begriff Kolonialstil für Bauten, die vor der Unabhängigkeit, und Federal Style für die, die nach der Unabhängigkeit errichtet wurden.
    Gemeinsam war all diesen Stilarten die Liebe zu klassischen Idealen, mit anderen Worten, zu strengen Regeln, und das war nicht immer nur toll. Regeln bedeuteten, dass Architekten eigentlich gar nicht recht nachdenken mussten. Mereworth, ein Herrensitz in Kent, entworfen von Colen Campbell, ist eigentlich nur eine Kopie von Palladios Villa Capra — lediglich die Kuppel ist ein wenig anders —, und viele andere sind auch nicht wesentlich origineller. »Treue zum Kanon, darauf kam es an«, fasst es Alain de Botton in seinem Buch Glück und Architektur knapp zusammen. Obwohl ein paar prächtige palladianische Häuser gebaut wurden — wie das strahlende Chiswick House, Lord Burlingtons überdimensionaler Prachtbau, heute in Westlondon —, war der Gesamteffekt mit der Zeit doch monoton und ein wenig langweilig. Der Architekturhistoriker Nikolaus Pevsner schreibt: »Die in dieser Zeit erbauten Villen und Landhäuser auseinanderzuhalten ist nicht leicht.«
    Deshalb bereitet es eine gewisse Genugtuung, dass die vielleicht interessantesten und originellsten palladianischen Häuser der Zeit nicht von ausgebildeten Architekten in Europa, sondern von Laien in einem weit entfernten Land gebaut wurden. Und was für Laien das waren!
    II.
    I m Herbst 1769 begann auf einem Hügel des Piedmont in Virginia, damals dem äußersten Rand der Zivilisation, ein junger Mann damit, sein Traumhaus zu bauen. Dafür sollte er mehr als fünfzig Jahre seiner Lebenszeit und fast sein ganzes Geld benötigen und es doch nie in fertigem Zustand sehen. Der junge Mann hieß Thomas Jefferson, das Haus Monticello.
    So etwas hatte es noch nie gegeben. Es war im wahrsten Sinn des Wortes am Ende der Welt. Vor ihm lag ein unerforschter Kontinent, hinter ihm die bekannte Welt. Vielleicht sagt nichts mehr über Jefferson und sein Haus aus, als dass es von der Alten Welt weg in die unbekannte Leere der Neuen schaut.
    Das Besondere daran war, dass es auf dem Gipfel eines Hügels stehen sollte. Dort bauten die Leute im achtzehnten Jahrhundert nicht, und zwar aus guten Gründen. Jefferson nahm mit der Wahl dieses Standortes viele Nachteile in Kauf. Zum einen musste er eine Straße hoch zum Gipfel anlegen und dort das felsige Gelände abholzen und eben machen, beides enorme Aufgaben. Zum anderen musste er sich ständig mit dem Problem der Wasserversorgung herumschlagen. Oben auf einem Hügel ist es mit dem Wasser immer verzwickt, denn es liegt nun einmal in der Natur des Wassers, dass es nicht nach oben fließt. Die Brunnen mussten also ungewöhnlich tief gegraben werden, und selbst da noch trockneten sie etwa alle fünf Jahre aus, und man musste das kostbare Nass hochkarren. Schlussendlich waren auch immer Blitzschläge zu fürchten, weil das Haus meilenweit der höchste Punkt in der Landschaft war.
    Monticello ist Palladios Villa Capra, aber neu interpretiert, aus anderen Materialien erbaut, auf einem anderen Kontinent, herrlich originell und doch dem Original treu. Das Zeitalter der Aufklärung war perfekt für

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