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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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es, gut zweihundert Quadratkilometer Uferland für die Nachwelt zu retten, so dass der Blick von Mount Vernon heute so schön und erfreulich ist wie zu Washingtons Zeiten.
    Auch Monticello litt nach Jeffersons Tod, obwohl es schon vorher ziemlich heruntergekommen war. 1815 berichtete ein entsetzter Besucher, dass fast alle Stühle durchgesessen waren und Teile der Polsterung heraushingen. Als Jefferson mit dreiundachtzig Jahren am vierten Juli 1826 — auf den Tag genau fünfzig Jahre nach der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung — starb, hatte er mehr als irrsinnige 100 000 Dollar Schulden, und Monticello sah absolut schäbig aus.
    Seine Tochter, die das Haus nicht halten konnte, bot es für 70 000 Dollar zum Verkauf, aber niemand wollte es. Am Ende ging es für 7000 Dollar an einen Mann namens James Barclay, der versuchte, dort eine Seidenfarm zu betreiben. Als er kläglich scheiterte, flüchtete er ins Heilige Land, um dort zu missionieren, und das Haus verkam weiter. Durch die Dielen wuchs das Unkraut, die Türen fielen heraus, Kühe wanderten durch leere Zimmer, Houdons berühmte Büste von Voltaire lag in einem Feld. 1836, nur zehn Jahre nach Jeffersons Tod, wurde Monticello für 2500 Dollar verhökert — eine selbst für die damalige Zeit armselige Summe für ein solches Anwesen. Käufer war ein kurioser Mann namens Uriah Philips Levy.
    Ein typischer Plantagenbesitzer war Levy nicht, doch schließlich war der ganze Kerl in jeder Hinsicht untypisch. Zum einen war er jüdischer Marineoffizier — der einzige in der US-Kriegsmarine. Da er aber auch aufsässig und schwierig war — Eigenschaften, die Vorgesetzte bei keinem Marineoffizier gern sehen, die aber die antisemitischen Vorurteile, die sie eh schon pflegten, wunderbar bestätigten —, kam er fünf Mal in seiner Laufbahn vor ein Kriegsgericht und wurde fünf Mal freigesprochen. Gleichermaßen bedenklich für seine neuen Nachbarn war die Tatsache, dass er aus New York kam. Ein jüdischer Yankee hatte in Virginia nicht viele Freunde. Als der Bürgerkrieg ausbrach, wurde Monticello von der Konföderiertenregierung beschlagnahmt, und Levy flüchtete nach Washington, den nächsten sicheren Zufluchtsort. Dort wandte er sich an Präsident Lincoln und bat um Hilfe, und Lincoln, mit wunderbarem Gespür fürs Angemessene, gab ihm einen Sitz in der obersten Militärgerichtsbehörde der Vereinigten Staaten.
    Monticello blieb neunzig Jahre lang im Besitz der Familie Levy. Das war viel länger, als Jefferson es besessen hatte. Ohne sie hätte das Haus niemals überlebt. 1923 verkaufte sie es für 500000 Dollar an die neu gegründete Thomas Jefferson Memorial Foundation, die mit einem langen Restaurierungsprogramm begann. Erst 1954 war das Werk vollendet. Fast zweihundert Jahre nachdem Jefferson mit dem Bau des Hauses angefangen hatte, war es endlich so, wie er es gewollt hatte.
    Wären Thomas Jefferson und George Washington lediglich Plantagenbesitzer gewesen, die interessante Häuser bauten, wäre das schon eine großartige Leistung gewesen, doch wie wir alle wissen, wirkten sie maßgeblich an einer politischen Revolution mit, führten einen langen Krieg, schufen eine neue Nation, dienten ihr unermüdlich und hielten sich jahrelang von eben den interessannten Häusern weit entfernt auf. Obwohl sie durchaus mit anderem ausgelastet waren und kein richtiges Material hatten, bauten sie fast perfekte, wunderschöne Häuser. Und das will was heißen.
    Monticellos berühmte technischen Neuheiten — die Speiseaufzüge und geheimnisvoll sich öffnenden Türen und dergleichen werden manchmal als bloßer Schnickschnack abgetan, doch sie nahmen die Liebe der Amerikaner zu arbeitssparenden Geräten um einhundertfünfzig Jahre vorweg und trugen das Ihre dazu bei, dass Monticello nicht nur das schickste Haus in Amerika war, sondern auch das erste moderne. Mount Vernon war allerdings einflussreicher. Nach seinem Ideal wurden zahllose andere Häuser sowie Drive-through-Banken, Motels, Restaurants und andere Attraktionen an Straßenrändern gebaut. Wahrscheinlich ist kein anderes Einzelgebäude in den Vereinigten Staaten häufiger kopiert worden — leider fast immer fröhlich kitschig, doch das ist kaum Washingtons Schuld und sollte seinen Ruf nicht schmälern. Nicht zufällig baute er auch den ersten Ha-Ha in Amerika und konnte mit Fug und Recht behaupten, der Vater des amerikanischen Rasens zu sein; neben allem anderen, was er schaffte, bemühte er sich nämlich

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