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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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überquerten. Dieses Arrangement war irrwitzig unrationell und brachte nur den britischen Kaufleuten und Fabrikanten erfreuliche Profite, denn im Grunde war ihnen ein ganzer schnell wachsender Kontinent auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Am Vorabend der Revolution war Amerika fast der einzige Exportmarkt Großbritanniens. Es kaufte 80 Prozent der britischen Leinenexporte, 76 Prozent der exportierten Nägel, 60 Prozent des Schmiedeeisens und fast die Hälfte des Glases, das exportiert wurde. In Mengen ausgedrückt importierte Amerika jährlich unter vielem anderen circa 15 000 Kilo Seide, 5000 Kilo Salz und über 130 000 Bibermützen. Und viele der Importwaren — nicht zuletzt die Bibermützen — waren aus Rohstoffen hergestellt, die ursprünglich us Amerika kamen und leicht in Manufakturen in den Kolonien hätten hergestellt werden können — was auch den Amerikanern nicht verborgen blieb.
    Amerikas kleiner Binnenmarkt und die Transportprobleme über weite Entfernungen hinweg bedeuteten, dass die Amerikaner, selbst wenn sie es versucht hätten, nicht wettbewerbsfähig waren. Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts wurden mehrere recht große Glasmanufakturen gegründet, und einige florierten kurzzeitig sogar, doch zur Zeit der Revolution wurde in den Kolonien kein Glas mehr hergestellt. In den meisten Häusern blieb eine zerbrochene Scheibe zerbrochen. Es herrschte allenthalben eine derartige Knappheit an Glas, dass man Einwanderern empfahl, ihr Fensterglas mitzubringen. Auch Eisen war chronische Mangelware und Papier meist so gut wie nicht existent. Nur das einfachste Geschirr wurde in Amerika hergestellt — Krüge, Tontöpfe und dergleichen —, alles Qualitätvollere wie Porzellan jeder Art musste aus (oder, sogar noch teurer, über) Großbritannien kommen. Für Jefferson und andere Plantagenbesitzer in Virginia war die Versorgungssituation auch noch dadurch schlechter, dass es keine Städte in Amerika gab, in denen man sich mit entsprechenden Waren hätte eindecken können. Die Verkehrswege nach London waren unkomplizierter als die in die anderen Kolonien.
    Es musste praktisch alles durch einen entfernt arbeitenden Agenten besorgt, jeder Wunsch bis ins kleinste Detail aufgelistet und jedes Mal auf Urteil und ehrliches kaufmännisches Handeln eines Fremden vertraut werden. So manche Enttäuschung war da nicht auszuschließen. Eine typische Bestellung von George Washington aus dem Jahre 1757 vermittelt einen Eindruck von den unzähligen Dingen, die die Amerikaner nicht selbst herstellen konnten. Washington orderte fünf Pfund Schnupftabak, zwei Dutzend Schwammzahnbürsten, zwanzig Säcke Salz, fünfzig Pfund Rosinen und Mandeln, ein Dutzend Mahagonistühle, zwei Tische (»zusammenklappbar und viereinhalb Fuß im Quadrat, wenn ausgeklappt«), einen großen Cheshire-Käse, Marmor für einen Kamin, Pappmaché und Tapete, ein Fass Cider, fünfzig Pfund Kerzen, zwanzig Zuckerhüte, 250 Glasscheiben und vieles andere mehr.
    »Nachschrift: Lassen Sie es sorgsam einpacken.« Das klingt einen Hauch gequält, und die Bitte war auch vergebens, denn fast alle Schiffsladungen kamen mit zerbrochenen, verdorbenen oder fehlenden Dingen an. Wenn Sie zum Beispiel fast ein ganzes Jahr auf zwanzig Glasscheiben gewartet haben und dann die eine Hälfte zerbrochen ist und die andere die falschen Maße hat, dann rasten Sie aus, auch wenn Sie von Natur aus noch so stoisch sind.
    Für die Händler und Agenten andererseits waren die Bestellungen manchmal unklar und verwirrend. Eine Order von Washington an seine Agentur in London, Robert Cary & Co., lautete auf
    »zwei Loewen nach den antiken Loewen in Italien«. Man schloss daraus korrekt, dass Washington Statuen meinte, doch Typ und Größe konnte man nur erraten. Da Washington nie auch nur einen Fuß auf italienischen Boden gesetzt hatte, liegt die Vermutung nahe, dass er es selbst nicht wusste. Er bat seine Agentur auch in einem fort um Dinge, die »nach der Mode« und »dem neuesten Geschmack« oder »alle ausnahmslos schön und vornehm« waren, doch seine Briefe danach zeigen, dass er selten fand, er habe bekommen, was er erbeten hatte.
    Selbst die sorgfältigst abgefassten Anweisungen waren in Gefahr, missinterpretiert zu werden. Edwin Tunis berichtet von einem Mann, der seiner Bestellung eines Essservice eine Zeichnung des Familienwappens beilegte, das darauf angebracht werden sollte. Damit seine Anweisungen auch wirklich verstanden wurden, wies er mit einem kräftigen Pfeil auf

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