Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
wurden. »Das Wasser, das man beim Schwitzen abgibt«, erklärte Shirley Forster Murphy in Unser Heim und wie wir es gesund machen im Jahre 1883, »ist voller animalischer Verunreinigungen; es schlägt sich im Inneren von Gebäuden an den Wänden nieder, fließt in übelriechenden Rinnsälen nach unten und [...] sickert in die Wände.« Und richtete dort, fuhr sie fort, ernsthaftes, aber nicht genauer benanntes Unheil an. Warum es kein Unheil anrichtete, solange es im Körper war, erklärte sie nicht, ja, bedachte es nicht einmal. Es reichte das Wissen, dass nächtliches Atmen eine abartige Angewohnheit war.
Dringend empfahl man verheirateten Paaren Einzelbetten, nicht nur, um schändliche Erregung durch zufällige Kontakte zu vermeiden, sondern auch, damit sich persönliche Verschmutzungen möglichst wenig mischten. »Die Luft, die den Körper unter der Bettdecke umgibt, ist extrem unrein, denn sie ist durchtränkt von den giftigen Substanzen, die durch die Poren der Haut nach außen dringen«, erklärte ein Gesundheitsexperte streng. Und ein Arzt schätzte, dass in den Vereinigten Staaten bis zu vierzig Prozent der Sterbefälle dem geschuldet seien, dass die Menschen beim Schlafen stets ungesunder Luft ausgesetzt waren.
Betten machten auch viel Arbeit. Matratzen zu wenden und auszuldopfen oder aufzuschütteln gehörte zu den regelmäßigen und anstrengenden —Tätigkeiten im Haushalt. Eine normale mit Federn gefüllte Matratze enthielt achtzehn Kilo Federn. Mit den Kissen und Nackenrollen kam noch mal das Gleiche hinzu, und alle mussten von Zeit zu Zeit ausgeleert und die Federn durchgelüftet werden, weil sie sonst anfingen zu stinken. Manche Leute hielten sich extra eine Schar Gänse, die sie wegen des Nachschubs an frischen Federn für ihr Bettzeug vielleicht drei Mal im Jahr rupften (was für das Dienstpersonal nicht minder lästig gewesen sein muss als für die Gänse). Eine aufgeschüttelte Matratze sah vielleicht himmlisch aus, aber wer sich hineinlegte, sank bald in eine Spalte zwischen zwei wogenden Hügeln. Die harte Unterlage darunter war ein Flechtwerk aus Seil, das man mit einem Schlüssel festzurren konnte, wenn es durchzusacken begann, doch ob fest oder nicht fest — bequem war es nicht. Federkernmatratzen wurden erst 1865 erfunden, waren aber zunächst wenig vertrauenerweckend, weil sich die Spiralen manchmal drehten und den Schläfer der sehr realen Gefahr aussetzten, sich in seinem eigenen Bett aufzuspießen.
Ein populäres amerikanisches Buch aus dem neunzehnten Jahrhundert, Goodholme's Cyclopedia, unterteilte Matratzentypen nach Bequemlichkeit. In absteigender Reihenfolge geschah das in zehn Kategorien:
Daunen Federn
Wolle
Reißwolle Haar
Baumwolle Holzspäne Seemoos Sägemehl Stroh
Wenn Holzspäne und Sägemehl es in die Top Ten der Matratzenfüllungen schafften, dann ist eins klar: Die Zeiten waren rau! Allesamt waren die Matratzen ein Paradies für Bettwanzen, Flöhe und Motten (für die alte Federn zu den begehrtesten Leckerbissen zählten), ja, sogar für Mäuse und Ratten. Verstohlenes Knispeln unter der Bettdecke war unerfreuliche Begleitmusik zu manchem Nachtschlaf.
Kinder, die in einem Ausziehbett dicht über dem Boden schlummerten, waren besonders vertraut mit der Nähe der schnurrhaarigen Mitbewohner. Eine Amerikanerin, Eliza Ann Summers, berichtete 1867, dass sie und ihre Schwester abends immer ihre Schuhe mit ins Bett nahmen, um sie hinter den Ratten herzuwerfen, die über den Boden flitzten. Susanna Augusta Fenimore Cooper, Tochter von James Fenimore Cooper, des Autors der Lederstrumpf-Romane sagte, sie werde nie vergessen, ja, nie darüber hinwegkommen, wie die Ratten in ihrer Kindheit nachts über ihr Bett gehuscht seien.
Thomas Tryon, Autor eines Buches über Wohlbefinden und Gesundheit, bemängelte zwei Jahrhunderte früher, dass Wanzen von dem »unreinen, ekeligen Exkrement« in den Federn angezogen würden. Er schlug vor, stattdessen recht viel frisches Stroh zu nehmen. Er meinte (sicher nicht zu Unrecht), dass Federn mit Fäkalien der aufgeregten, unglücklichen Vögel, denen man sie ausgerupft hatte, verunreinigt seien.
Traditionell war die gebräuchlichste und einfachste Füllung Stroh, das natürlich dafür berühmt war, zur Tortur zu werden, weil es durch den Matratzenüberzug stach. Aber die Menschen nahmen eben, was sie hatten. In Abraham Lincolns Elternhaus schlief man auf den getrockneten Hüllblättern von Maiskolben, was ebenso knirschend laut wie
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