Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
zügig, man wollte schnell fertig sein. Das ernsthafte Baden — das wohlig lange — fängt mit den Römern an. Niemand hat so ausgiebig und sorgsam gebadet wie die Römer.
Sie liebten Wasser über alles — ein Haus in Pompeji hatte dreißig Wasserhähne —, und ein System von Aquädukten versorgte ihre großen Städte immer mit reichlich frischem Nass. Rom bekam jeden Tag pro Kopf extrem üppige tausend Liter und mehr, sieben- oder achtmal die Menge, die ein Römer im Durchschnitt heute braucht.
Für die alten Römer waren die Bäder mehr als nur ein Ort, an dem man sich saubermachte. Hierher zog man sich tagtäglich zurück, konnte sich wunderbar die Zeit vertreiben und das Baden zum Lebensstil erheben. In römischen Bädern gab es Bibliotheken, Läden, Fitnessräume, Friseure, Kosmetikerinnen, Faustballplätze, Snackbars und Bordelle, und sie wurden von Menschen aller Gesellschaftsschichten benutzt. »Wenn man einen Mann kennenlernte, war es üblich, ihn zu fragen, wo er badete«, schreibt Katherine Ashenburg in ihrer, nun ja, erfrischenden Geschichte der Sauberkeit, Schmutzige Wäsche. Eine nicht ganz saubere Geschichte. Manche römischen Bäder hatten palastähnliche Ausmaße. In die Thermen des Caracalla passten sechzehnhundert Badegäste auf einmal, in die des Diokletian dreitausend.
Ein badender Römer planschte und schnaufte sich durch eine Reihe verschieden temperierter Becken — vom frigidarium, dem kalten Bad, zum calidarium, dem warmen. Unterwegs machte er oder sie im unctorium (oder unctuarium) einen Zwischenstopp, wo er oder sie sich mit duftenden Ölen einreiben ließ, und dann ging's weiter zum laconium oder Dampfraum, wo er oder sie ordentlich ins Schwitzen geriet und dann die Öle mit einem Instrument namens strigilium abgeschrubbt wurden, wobei gleichzeitig auch jeglicher Schmutz und andere Verunreinigungen verschwanden. All das geschah in ritueller Reihenfolge, wenn sich die Historiker auch nicht darauf einigen können, in welcher (vielleicht weil es von Ort zu Ort und Zeit zu Zeit eben doch voneinander abwich). Wir wissen sehr vieles nicht über die Römer und ihre Badegewohnheiten — ob Sklaven mit freien Bürgern badeten oder wie oft und wie lange die Leute sich im Bade tummelten. Sie selbst zeigten sich bisweilen beunruhigt über die Qualität des Wassers und das, was sie darin herumschwimmen sahen, was eher darauf hindeutet, dass sie insgesamt doch nicht so scharf auf eine Runde Planschen waren, wie wir heute immer meinen.
Aber allem Anschein nach galten fast in der gesamten Römerzeit in den Bädern strenge Gebote der Schicklichkeit, damit auch alles gesund und gesittet zuging. Allerdings sah man die Dinge in dem Maße, wie sich die Sitten in Rom wandelten, auch in den Bädern lockerer. Männer und Frauen badeten zusammen, und vielleicht, aber keineswegs sicher, badeten Frauen sogar mit männlichen Sklaven. Auch hier weiß keiner wirklich, was ablief, nur die frühen Christen, die fanden es gar nicht toll. Römische Bäder waren für sie lasterhaft und verderbt — wenn schon nicht unhygienisch, so doch moralisch unsauber.
Das Christentum hatte es merkwürdigerweise nie so mit der Sauberkeit, ja, entwickelte schon früh eine seltsame Tradition, Heiligkeit mit Ungewaschensein gleichzusetzen. Als Thomas Becket 1170 ermordet worden war, bemerkten diejenigen, die ihn aufbahrten, beifällig, dass es in seiner Unterwäsche »von Läusen wimmelte«, und während des gesamten Mittelalters erntete man mit einem Gelübde, sich nicht zu waschen, todsicher ewige Seligkeit. Viele Menschen liefen zu Fuß von England ins Heilige Land, aber als ein Mönch namens Godric das auch tat, ohne sich einmal nass zu machen, wurde er schnurstracks zum Heiligen Godric befördert.
Als sich allerdings im Mittelalter die Pest ausbreitete, überdachten die Menschen ihre Einstellung zur Hygiene und überlegten etwas genauer, wie sie sich gegen die Krankheit schützen konnten. Leider kamen sie überall zum genau falschen Ergebnis. Die besten Köpfe waren einhellig der Meinung, dass Baden die Hautporen öffne, dadurch tödliche Dünste leichter in den Körper eindringen könnten und man am besten die Poren mit Schmutz verstopfe. Die nächsten sechshundert Jahre wuschen sich die meisten Leute nicht, ja, vermieden es nach Kräften, überhaupt mit Wasser in Berührung zu kommen. Sie zahlten einen hohen Preis. Infektionen wurden Teil des täglichen Lebens, Furunkel, Ausschlag und Pusteln gang und gäbe. Eigentlich
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