Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Chronicle, ließ seine Frau, die bei der Geburt ihres Kindes gestorben war, nach Dresden verschiffen und dort einäschern. Ein weiterer früher Befürworter war Augustus Pitt Rivers, einer der führenden Archäologen des neunzehnten Jahrhunderts, der nicht nur selbst verbrannt werden wollte, sondern auch darauf bestand, dass seine Gattin trotz ihrer unermüdlich vorgebrachten Einwände verbrannt wurde. »Verdammt noch mal, Weib. Brennen wirst du!«, erklärte er, wann immer sie das Thema anschnitt. Doch Pitt Rivers starb 1900 und wurde eingeäschert, obwohl es immer noch nicht legal war, während seine Frau ihn überlebte und die friedliche Erdbestattung bekam, die sie immer hatte haben wollen.
In Großbritannien lehnte man das Kremieren noch lange vehement ab. Die Gegner fanden die willentliche Zerstörung eines toten Körpers unmoralisch oder führten praktische Überlegungen ins Feld. Viele argumentierten auch, die Verbrennung vernichte Beweise in Mordfällen. Es war der Bewegung auch einigermaßen abträglich, dass einer ihrer Hauptvertreter im Grunde irre war.
Er hieß William Price, war Arzt im ländlichen Wales und bekannt für unendlich viele Überspanntheiten. Militanter Chartist, Druide und Vegetarier, weigerte er sich, Strümpfe zu tragen oder Münzen anzufassen. Mit über achtzig zeugte er mit seiner Haushälterin einen Sohn und nannte ihn Jesus Christus. Doch der Säugling starb Anfang 1884, und Price beschloss, ihn auf einem Scheiterhaufen auf seinem Grundstück zu verbrennen. Als die Dorfbewohner die Flammen sahen und einen genaueren Blick riskierten, tanzte Price, als Druide gewandet, um den Scheiterhaufen und intonierte seltsame Gesänge. Empört gingen sie dazwischen, um ihm handgreiflich Einhalt zu gebieten, und in dem Durcheinander riss Price das halb verbrannte Baby aus dem Feuer und flüchtete mit ihm ins Haus, wo er es in einer Schachtel unter seinem Bett aufbewahrte, bis er ein paar Tage später verhaftet wurde. Er wurde angeklagt, aber entlassen, als der Richter entschied, dass er nichts getan habe, das eindeutig verbrecherisch sei, denn das Kind sei ja nicht ganz verbrannt. Die Sache der Feuerbestattung erlitt jedoch einen schweren Rückschlag.
Während sie woanders Routine wurde, legalisierte man sie in Großbritannien erst 1902, gerade rechtzeitig, dass sich unser Mr. Marsham dafür hätte entscheiden können, wenn er gewollt hätte. Aber er wollte nicht.
Sechzehntes Kapitel
Das Badezimmer
I.
Nur selten liest man eine derart falsche, völlig aus der Luft gegriffene Behauptung über die Hygiene der Menschen wie folgende aus dem Klassiker Die Stadt. Geschichte und Ausblick (deutsch 1963) des berühmten Architekturkritikers Lewis Mumford:
Über Jahrtausende haben Stadtbewohner schlechte, oft sogar ziemlich üble hygienische Bedingungen ertragen und sich in Müll und Dreck gewälzt, obwohl sie den Unrat ganz einfach hätten beseitigen können. Gelegentlich sauber zu machen wäre kaum widerwärtiger gewesen, als durch den ständig herumliegenden Schmutz zu laufen und den Gestank einzuatmen. Wenn man eine Erklärung für diese Gleichgültigkeit hätte, dann würde man auch besser verstehen, warum es fünf Jahrtausende nach Entstehung der Stadt gedauert hat, bis in dieser Hinsicht Fortschritte gemacht wurden. Selbst Tiere sogar Schweine, die ihr Lager stets mit großer Mühe sauber halten — fänden diese Zustände abstoßend.
An Skara Brae auf den Orkneyinseln haben wir schon gesehen, dass sich die Menschen bereits sehr lange sehr wohl um Schmutz, Unrat und Abfall kümmerten, noch dazu oft überraschend kompetent. Und Skara Brae ist kein Einzelfall. Auch vor 4500 Jahren hatte ein Haus im Industal, an einem Ort namens Mohenjo-Daro, ein raffiniertes System von Müllschächten, durch die man Abfall aus dem Wohnbereich in eine Müllgrube entsorgen konnte. Das antike Babylon hatte Abwasserrinnen und ein Kanalisationssystem. Vor über 3500 Jahren hatten die Minoer fließendes Waser, Badewannen und andere zivilisatorische Annehmlichkeiten. Kurzum, Sauberkeit und allgemeine Körperpflege sind in vielen Kulturen schon so lange wichtig gewesen, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.
Die alten Griechen waren zum Beispiel begeisterte Bader. Und sie zogen sich gern nackt aus — »gymnasion« bedeutet »Ort, an dem man (nackt) Sport treibt« —, hielten Schwitzen für gesund und hupften nach ihrem täglichen Fitnesstraining aus hygienischen Gründen gern ins gemeinsame Bad. Gebadet wurde
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