Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
die Risiken erinnert wurde. Im April 1857 starb ihm einer seiner Patienten, weil er mit einem neuen Narkosemittel, Amylen, experimentierte und die zuträgliche Dosis falsch eingeschätzt hatte. Genau eine Woche danach verabreichte er der Königin Chloroform.
Wenn er nicht Menschen half, vor einer Operation das Bewusstsein zu verlieren, verbrachte Snow viel Zeit mit der Erforschung von Krankheitsursachen. Er fragte sich insbesondere, warum die Cholera manche Viertel verheerte und andere verschonte. In Southwark war die Todesrate bei Cholera sechs Mal höher als im angrenzenden Lambeth. Wenn Cholera von schlechter Luft verursacht wurde — warum steckten sich dann Menschen, die in benachbarten Stadtvierteln im Prinzip die gleiche Luft atmeten, nicht an? Und weiter: Wenn die Cholera durch Ausdünstungen verbreitet wurde, hätten ja die Leute, die am direktesten damit in Berührung kamen — die Kanalreiniger, Fäkaliensammler und alle anderen, die sich ihren Lebenunterhalt in und mit menschlichen Exkrementen verdienten —, die häufigsten Opfer s ein müssen. Dem war aber keineswegs so. Nach der Choleraepidemie 1848 fand Snow keinen einzigen Kanalreiniger, der zu Tode gekommen war.
Snows unsterbliches Verdienst war nicht, dass er die Ursache von Cholera überhaupt herausfand, sondern dass er mit streng wissenschaftlichen Methoden den Beweis dafür erbrachte. Er legte exakte Karten an, auf denen man ablesen konnte, wo die Choleraopfer wohnten bzw. gewohnt hatten, und dabei entstanden Faszinierende Muster. Das Bethlehem Hospital, die berühmte Irrenanstalt Bedlam, hatte zum Beispiel kein einziges Opfer zu verzeichnen, während Menschen in den Straßen darum herum in alarmierenden Zahlen niedergestreckt wurden. Und woran lag es? Das Hospital hatte einen Brunnen auf der Anlage und damit eine eigene Wasserversorgung, während die Menschen draußen ihr Wasser an öffentlichen Brunnen holten. Und die Bevölkerung von Lambeth trank Wasser, das von sauberen Quellen außerhalb der Stadt kam, während die in Southwark daneben sich ihr Wasser direkt aus der verschmutzten Themse holte.
Snow berichtete über seine Funde 1849 in einem Pamphlet mit dem Titel »Zur Übertragungsweise von Cholera«, in dem er eine eindeutige Verbindung zwischen Cholera und Wasser aufzeigte, das mit menschlichen Exkrementen verunreinigt war. Es ist eines der wichtigsten Dokumente in der Geschichte der Statistik, der Volksgesundheit, der Demografie und Pathologie — ja, eines der wichtigsten Dokumente des neunzehnten Jahrhunderts überhaupt. Nur, dass es keiner las, und die Epidemien kamen und gingen.
1854 wütete die Cholera in Soho besonders bösartig. Innerhalb von zehn Tagen starben mehr als fünfhundert Menschen nur in der Gegend um die Broad Street. Die Opferzahlen wären sogar noch höher ausgefallen, wenn nicht so viele Menschen aus dem Viertel geflüchtet wären.
Die Verteilung der Sterbefälle zeigte rätselhafte Anomalien. Eines der Opfer starb in Hampstead und ein anderes in Islington beide meilenweit von der Broad Street entfernt. Snow machte sich auf den langen Weg nach dort, wo die Opfer gelebt hatten und aufgebahrt waren, und befragte Verwandte und Nachbarn. Dabei erfuhr er, dass die Frau in Hampstead das Wasser aus der Broad Street liebte — ja, sogar so sehr, dass sie es sich regelmäßig ins Haus liefern ließ — und, kurz bevor sie krank wurde, davon getrunken hatte. Das Opfer in Islington war ihre Nichte, die sie besucht und auch von dem Wasser getrunken hatte.
Snow gelang es, den Gemeinderat dazu zu bewegen, den Schwengel von einer Wasserpumpe in der Broad Street zu entfernen, wonach in der Umgebung keiner mehr an Cholera starb so wird es jedenfalls berichtet. In Wirklichkeit war die Epidemie schon im Abklingen begriffen, als der Schwengel entfernt wurde, hauptsächlich weil so viele Leute das Weite gesucht hatten.
Trotz der gesammelten Beweise wurden Snows Schlussfolgerungen nicht ernst genommen. Snow redete vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, und der Vorsitzende Sir Benjamin Hall sah sich außerstande, den Ergebnissen Glauben zu schenken. Völlig konsterniert fragte er Snow: »Geht dieser Ausschuss richtig in der Annahme, dass nach Ihrem Dafürhalten die Ausdünstungen der Leimsiederwerkstätten, die einen für die Sinne üblen Geruch verbreiten, der Gesundheit der Bewohner des Viertels in keiner Weise abträglich sind?«
»Ja, der Meinung bin ich«, erwiderte Snow, doch leider kam er mit seiner stets
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