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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Jobs war erschöpfend. Für die Tunnel brauchte man 318 Millionen Ziegelsteine und musste knapp

    2,75 Millionen Kubikmeter Erde ausgraben und abtransportieren. Und das Ganze mit einem Budget von gerade mal drei Millionen Pfund Sterling.
    Bazalgette übertraf alle Erwartungen aufs Feinste. Beim Bau des neuen Abwassersystems gestaltete er fünf Kilometer Flussufer der Themse um und schuf sowohl das Chelsea als auch das Albert andVictoria Embankment, wozu viel von der ausgegrabenen Erde gebraucht wurde. Die neuen Uferbefestigungen boten nicht nur Platz für ein darin verlaufendes, mächtiges Abwasserrohr — eine regelrechte Abwasserautobahn —, sondern auch noch reichlich Raum für eine neue U-Bahn-Linie, Gasleitungen und andere Versorgungseinrichtungen darunter sowie oben für eine neue Entlastungsstraße. Insgesamt gewann Bazalgette zweiundfünfzig Morgen Land, auf dem er Parks und Promenaden anlegen ließ. Durch die Uferbefestigungen wurde der Fluss natürlich schmaler und schneller — und klärte sich dadurch auch besser selbst. Es gibt wohl schwerlich irgendwo ein Werk von Ingenieuren, das so viele weitreichende Verbesserungen mit sich brachte Verbesserungen für die Gesundheit der Bevölkerung, den öffentlichen Nahverkehr, den Straßenverkehr, für die Naherholung und die Flusswirtschaft. Noch heute werden über diese Kanalisation Londons Abwässer weggeschafft, und Einheimische und Touristen ergehen sich an den Embankments und in den Stadtparks immer noch gern.
    Weil Bazalgette so wenig Mittel hatte, konnte er die Kanalisation nur bis zum östlichen Rand der Metropole führen, bis zu einem Gelände namens Barking Reach. Dort ergossen sich aus gewaltigen Abwasserrohren täglich fast 570 Millionen Liter ungeklärter, klumpiger, übelst stinkender Brühe in die Themse. Da der Ort aber leider immer noch über dreißig Kilometer vom offenen Meer entfernt war, war das Grund zur ständigen Klage für die bekümmerten, unglücklichen Menschen, die entlang dieser dreißig Kilometer wohnten, doch die Gezeitenfluten waren stark genug, um den meisten Unrat ein für alle Mal (wenn auch nicht immer geruchlos) ins Meer zu befördern und dafür zu sorgen, dass in London nie wieder Epidemien ausbrachen, die von Abwässern verursacht wurden.
    Die neuen Abwasserrohre spielten eine unselige Rolle in der größten Tragödie, die sich je auf der Themse ereignete. Im September 1878 tuckerte ein Vergnügungsdampfer namens Princess Alice, zum Bersten voll mit Ausflüglern, nach einem Tag am Meer nach London zurück und kollidierte mit einem anderen Schiff in Barking genau an dem Ort beziehungsweise in dem Moment, als die beiden gigantischen Rohre in Aktion traten. Die Princess Alice sank in weniger als fünf Minuten. Fast achthundert Menschen ertranken in erstickendem Schlamm und ungeklärten Abwässern. Selbst wer schwimmen konnte, kam nur schwer durch den klebrigen Unrat. Noch tagelang trieben Leichen an die Wasseroberfläche. Viele, berichtete The Times, waren von den Gasen, die die Bakterien erzeugten, so aufgequollen, dass sie gar nicht in normale Särge passten.
    1876 entdeckte Robert Koch, ein bis dahin unbekannter Landarzt in Deutschland, die Mikrobe Bacillus anthracis, die für den Milzbrand verantwortlich zeichnet, und sieben Jahre später den Bazillus Vibrio cholerae, Verursacher der Cholera. Endlich, endlich war hier der Beweis, dass einzelne Mikroorganismen bestimmte Krankheiten hervorriefen. Bemerkenswert, dass wir ungefähr genauso lange, wie wir elektrisches Licht und Telefon haben, wissen, dass Keime Menschen umbringen können. Edwin Chadwick glaubte es nie und schlug sein ganzes Leben lang stets neue Methoden vor, Gerüche zu vertreiben, um Krankheiten zu verhindern. Einer seiner letzten und schrägeren visionären Vorschläge bestand darin, überall in London eine Reihe von Türmen zu bauen, die dem neuen Eiffelturm in Paris nachgebildet werden und als mächtige Ventilatoren fungieren sollten, nämlich frische gesunde Luft aus der Höhe einsaugen und sie auf Bodenhöhe wieder ausstoßen. Im Sommer 1890 nahm er die unerschütterliehe Überzeugung, dass Dünste in der Luft Epidemien verursachen, mit ins Grab.
    Bazalgette wandte sich unterdes anderen Projekten zu. In Hammersmith, Battersea und Putney baute er einige der schönsten Brücken Londons und trieb zur Entlastung des immer höheren Verkehrsaufkommens mehrere kühne neue Straßen wie die Charing Cross Road und die Shaftesbury Avenue durch das Herz der Stadt.

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