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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Gegen Ende seines Lebens wurde er in den Ritterstand erhoben, doch eigentlich bekam er den ihm gebührenden Ruhm nie. Das passiert Erbauern von Abwasseranlagen selten. Mit einer bescheidenen Statue auf dem Victoria Embankment neben der Themse wird seiner gedacht. Er starb einige Monate nach Chadwick.
    III.
    In den Vereinigten Staaten war die Situation komplizierter als in England. Reisende waren oft beeindruckt, dass Epidemien dort seltener und nicht so heftig auftraten. Dafür gab es einen guten Grund: Amerikanische Gemeinwesen waren allgemein sauberer. Das lag weniger daran, dass Amerikaner mehr auf sich und ihre Umgebung hielten, als vielmehr daran, dass die Städte offener und weitläufiger waren und Ansteckungen und Kreuzinfektionen weniger Chancen hatten. Doch andererseits mussten sich die Menschen in der Neuen Welt mit zusätzlichen Erkrankungen herumschlagen, von denen ihnen etliche vollkommen rätselhaft waren. Eine hieß »Milchkrankheit«. Leute, die Milch tranken, fielen manchmal einfach ins Delirium und starben schnell — wie zum Beispiel Abraham Lincolns Mutter —, doch die Milch, die sie getrunken hatten, roch und schmeckte genau wie andere, und niemand wusste, was der Grund für die Infektion war. Erst im späten neunzehnten Jahrhundert fand endlich jemand heraus, dass Kühe die Schuldigen waren, die eine Pflanze namens Runzeliger Wasserdost gefuttert hatten, die harmlos für sie war, aber ihre Milch giftig machte.
    Tödlicher und weit und breit gefürchteter war das Gelbfieber. Es ist eine Viruserkrankung, die so genannt wurde, weil die Haut der Erkrankten oft blassgelb wurde. Die übleren Symptome waren allerdings hohes Fieber und schwarzes Erbrechen. Das Gelbfieber kam mit Sklavenschiffen aus Afrika nach Amerika. Der erste Fall wurde 1647 auf Barbados registriert. Eine schreckliche Krankheit. Ein Arzt, der sie bekam, sagte, er habe sich gefühlt, »als seien drei oder vier Haken an meinen Augäpfeln befestigt und als zöge sie jemand hinter mir mit Gewalt aus ihren Höhlen nach innen in meinen Kopf«. Keiner wusste, was die Ursache war, aber man meinte allgemein — mehr intuitiv als verstandesmäßig —, dass es verseuchtes Wasser war.
    In den 1790er Jahren begann ein heroischer englischer Einwanderer, Benjamin Latrobe, damit, die Wasserqualität amerikanischer Städte entscheidend zu verbessern. Latrobe war nur wegen eines privaten Unglücks in den Vereinigten Staaten. Er hatte als erfolgreicher Architekt und Ingenieur in England gelebt, bis 1793 seine Frau bei der Geburt ihres Kindes starb. Am Boden zerstört beschloss er, in das Heimatland seiner Mutter, nach Amerika, auszuwandern und sich dort ein neues Leben aufzubauen. Eine Zeitlang war er der einzige Architekt und Ingenieur des Landes, der eine formale Ausbildung genossen hatte, und als solcher bekam er wichtige Aufträge, vom Gebäude der Bank of Pennsylvania in Philadelphia bis zum neuen Capitol in Washington.
    Hauptsächlich trieb ihn aber die Überzeugung um, dass man etwas gegen das verschmutzte Wasser tun musste, das Tausende von Menschen unnötig das Leben gekostet hatte. Nachdem es in der Hauptstadt der jungen Nation, Philadelphia, nach dem verheerenden Gelbfieberausbruch von 1793 in den nächsten Jahren auch weitere gegeben hatte, brachte er die Behörden dazu, die Überschwemmungsgebiete in der Stadt trockenzulegen und sauberes frisches Wasser von außerhalb der Stadtgrenzen zu holen. Diese Maßnahmen wirkten wahre Wunder, und die Krankheit kam nie wieder mit solch zerstörerischer Kraft nach Philadelphia zurück. Als Latrobe Ähnliches in New Orleans schaffen wollte, starb er dort 1820 ausgerechnet an Gelbfieber.
    In Städten, die die Wasserversorgung nicht verbesserten, folgte die Strafe auf dem Fuß. Bis etwa 1800 kam das gesamte Frischwasser für Manhattan aus einem einzigen schmutzigen Teich kaum mehr als einem »bloßen Abwassertümpel« in den Worten eines Zeitgenossen —, der im Südteil Manhattans als Collect Pond bekannt war. Als die Bevölkerungszahlen nach dem Bau des Erie- Kanals in die Höhe schnellten, verschlimmerte sich die Situation dramatisch. In den 1830er Jahren schätzte man, dass jeden Tag einhundert Tonnen Exkremente in die Sickergruben der Stadt wanderten, und die verunreinigten oft Brunnen in ihrer Nähe. Allgemein und oft unübersehbar war das Wasser in New York verdreckt und nicht trinkbar. Dann gab es 1832 nicht nur eine Cholera-, sondern auch eine Gelbfieberepidemie in der Stadt. Insgesamt starben

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