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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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mehr als viermal so viele Menschen daran als bei der schrecklichen Seuche in Philadelphia, wo das Wasser durch Latrobes Eingreifen mittlerweile sauberer geworden war. Die Wahnsinnsepidemie in New York brachte ebenso wie der »Große Gestank« in London die Dinge ins Rollen, und 1837 begann man mit der Arbeit am Croton-Aquädukt, über das nach seiner Fertigstellung 1842 endlich reines, unbedenkliches Wasser in die Stadt kam.
    In einem war Amerika allerdings dem Rest der Welt überlegen: im Bau von privaten Toiletten. Der Hauptantrieb dazu kam jedoch nicht von Hausbesitzern, sondern von Hotels. Das allererste Hotel der Welt, das mit jedem Zimmer ein Bad zur Verfügung stellte, war das Mount Vernon Hotel im Badeort Cape May an der Küste von New Jersey. Das war 1853 und seiner Zeit so weit voraus, dass mehr als ein halbes Jahrhundert verging, bevor andere Hotels eine ebensolche Extravaganz anboten. Doch zunehmend wurden Bäder — wenn auch Gemeinschaftsbäder am Ende des Flurs und keine privaten im eigenen Zimmer — Standard in Hotels, zuerst in den Vereinigten Staaten und dann in Europa, und Hoteliers, die diesem Trend nicht folgten, gerieten ins Hintertreffen.
    Denkwürdig demonstriert wurde das in dem riesigen und ansonsten herrlichen Midland Hotel am Bahnhof St. Pancras in London. Nach Plänen des großen George Gilbert Scott, der auch das Albert Memorial entworfen hatte, sollte das Midland das luxuriöseste Hotel der Welt werden. Es kostete in heutigem Geld 300 Millionen Pfund, eröffnete 1873 und war in fast jeder Hin- sieht fantastisch. Nur in einer nicht: Verblüffenderweise baute Scott zwar sechshundert Zimmer, aber nur vier Bäder. Fast vom ersten Tage an war das Midland ein Fiasko.
    In Privathäusern waren Badezimmer mit Toiletten mehr oder weniger Glückssache. Bis spät ins neunzehnte Jahrhundert hinein waren in vielen Häusern Wasserleitungen bis in die Küche und vielleicht zu einer Toilette im Erdgeschoss verlegt, aber nicht in ein richtiges Badezimmer, weil der Druck in den Leitungen zu gering war, um das Wasser nach oben zu befördern. In Europa waren die Reichen unerwartet zögerlich, ihre Lebensqualität mit Bädern zu verbessern — auch wenn der Wasserdruck es erlaubt hätte. »Badezimmer sind für Diener«, sagte ein englischer Aristokrat naserümpfend. Und der Duc de Doudeauville erwiderte auf die Frage, ob er in seinem neuen Haus Wasserleitungen einbauen lassen werde, hochmütig: »Ich baue kein Hotel.« Im Gegensatz dazu wollten die Amerikaner auf die Wohltaten eines heißen Bades oder einer Toilette mit Wasserspülung bald nicht mehr verzichten. Als der Zeitungsbaron William Randolph Hearst St. Donat's, eine walisische Burgbzw. Schlossanlage, erstand, ließ er als Allererstes zweiunddreißig Badezimmer einbauen.
    Anfangs waren Badezimmer nicht charmanter eingerichtet als heute ein Heizungskeller, sie waren streng zweckmäßig. In schon existierenden Häusern musste man Bäder im Übrigen dort einbauen, wo es gerade ging. Meist wurden sie in ein ehemaliges Schlafzimmer verlegt, doch manchmal auch in Alkoven oder mit sanfter Gewalt in andere merkwürdige Ecken. Im Pfarrhaus in Whatfield in Suffolk richtete man das Bad einfach hinter einem Wandschirm in der Eingangsdiele ein. Die Größen von Badewannen, Toiletten und Waschbecken waren unglaublich unterschiedlich. In Lanhydrock House in Cornwall war die Wanne so groß, dass man über eine Trittleiter hineinklettern musste. Andere Badezimmer mit eingebauten Duschen sahen aus wie Pferde-Waschanlagen.
    Auch technische Probleme verzögerten den Siegeszug von Badezimmern. Eine Wanne aus einem Stück zu gießen, nicht zu dick und nicht zu schwer, war überraschend schwierig. In gewisser Weise war es leichter, eine gusseiserne Brücke als eine gusseiserne Badewanne zu bauen. Letztere mit einer Oberfläche zu versehen, die weder absplitterte, fleckig wurde, Haarrisse bekam noch sich schnell abnutzte, war auch nicht einfach. Heißes Wasser erwies sich als kolossal zerstörerisch. Zink-, Kupfer- und gusseiserne Badewannen sahen herrlich aus, aber die Oberfläche blieb nicht lange schön. Erst mit der Erfindung der Porzellanemaille etwa 1910 wurden Badewannen haltbar und ansehnlich. Man sprayte ein Pulvergemisch auf das Gusseisen und brannte es wiederholt, bis es einen porzellanähnlichen Glanz annahm. Porzellanemaille war im Übrigen weder Porzellan noch Emaille, sondern eine glasartige Deckschicht. Badewannenoberflächen aus Emaille konnten sehr

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