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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Bedrängnis, dass sie die Plantage veräußern mussten.
    Der Süden aber wurde steinreich. Bald war die Baumwolle die meistgehandelte Ware der Welt, zwei Drittel aller Baumwolle kam von dort. Die Baumwollexporte aus den Vereinigten Staaten schossen von fast nichts vor der Erfindung der Cotton Gin bis auf sage und schreibe knapp eine Milliarde Kilo bei Ausbruch des Bürgerkrieges in die Höhe. Großbritannien importierte bis zu 84 Prozent davon.
    Vor dem Höhenflug der Baumwolle war die Sklaverei im Abstieg begriffen gewesen, doch jetzt brauchte man viele Arbeitskräfte, weil das Baumwollpflücken im Gegensatz zur Verarbeitung immer noch sehr aufwändig war. Als Whitney seine Geräte entwarf, existierte die Sklaverei in gerade mal sechs Bundesstaaten; zu Beginn des Bürgerkrieges war sie in fünfzehn legal. Besonders schlimm: Die nördlichen Sklavenstaaten wie Virginia und Maryland, in denen sich der Baumwollanbau nicht lohnte, begannen ihren südlichen Nachbarn Sklaven zu verkaufen, sie rissen Familien auseinander und verschlimmerten das Leiden Zehntausender. Zwischen 1793 und dem Bürgerkrieg wurden mehr als 800 000 Sklaven in den Süden deportiert.
    Gleichzeitig brauchten natürlich auch die boomenden Tuchfabriken in England viel, viel mehr Arbeiter — mehr als durch den Bevölkerungszuwachs dazukamen —, und man griff zunehmend auf Kinder zurück. Die waren gefügig, billig und konnten, wie erwähnt, schneller und geschmeidiger zwischen den Maschinen herumlaufen und Probleme beheben, wenn etwas zerbrach oder stockte. Selbst die aufgeklärtesten Fabrikbesitzer setzten Kinder in großer Zahl ein. Auf Kinderarbeit zu verzichten konnten sie sich schlichtweg nicht leisten.
    Whitneys Erfindung machte nicht nur Leute auf beiden Seiten des Atlantik reich und Kinderarbeit unverzichtbar. Obendrein gab sie der Sklaverei neuen Auftrieb und bereitete den Boden für den Amerikanischen Bürgerkrieg. Vielleicht hat nie jemand mit einer simplen, gutgemeinten Erfindung mehr allgemeinen Reichtum, persönliche Enttäuschung und unbeabsichtigtes Leiden verursacht als EliWhitney mit seiner Cotton Gin. Was man mit einer simplen Drehtrommel alles anrichten kann!
    Einige Südstaaten erklärten sich schließlich bereit, Whitney ein wenig zu zahlen. Insgesamt verdiente er etwa 90 000 Dollar an der Gin — gerade genug, um seine Kosten zu decken. Er ging in den Norden zurück, ließ sich in New Haven in Connecticut nieder und landete dort den Geniestreich, der ihn endlich reich machen sollte. 1798 ergatterte er einen Vertrag, zehntausend Musketen für die Regierung in Washington zu fabrizieren. Die Waffen sollten mit einer neuen Methode hergestellt werden, die später Whitney- oder amerikanische Methode genannt wurde. Man baute Geräte, die eine endlose Menge von zusammenpassenden Teilen produzierten, die dann zu fertigen Produkten zusammengesetzt wurden. Keiner der Arbeiter brauchte besondere Fertigkeiten; die Fertigkeiten waren alle in der Maschine. Ein brillantes Konzept — Daniel J. Boorstin, seines Zeichens Historiker, hat es als die Innovation bezeichnet, die die Vereinigten Staaten reich gemacht hat.
    Die Musketen brauchte man dringend, weil es zu der Zeit ganz danach aussah, als stünden die Vereinigten Staaten kurz vor einem Krieg mit Frankreich. Das Auftragsvolumen belief sich auf 134 000 Dollar — der satteste Regierungsauftrag, der bis dato im Land erteilt worden und an Whitney gegangen war, obwohl der keine Maschinen und keine Erfahrung hatte, Musketen zu produzieren. Doch 1801 führte Whitney Präsident John Adams und dem schon gewählten neuen Präsidenten Thomas Jefferson vor, wie man einen Tisch voll beliebiger Teile zu einer kompletten Waffe zusammensetzte (ein Ereignis, das noch Generationen später in allen Geschichtsbüchern stand). In Wirklichkeit hatte er hinter den Kulissen alle möglichen Probleme, das System zum Funktionieren zu bringen. Die Musketen wurden mehr als acht Jahre zu spät geliefert, lange nachdem die Krise abgeflaut war, für die sie ursprünglich vorgesehen waren. In einer im zwanzigsten Jahrhundert durchgeführten Analyse erhaltener Waffen wurde der Beweis erbracht, dass sie gar nicht mit dem Verfahren Whitneys hergestellt worden waren, sondern Teile enthielten, die man in der Fabrik handgefertigt hatte. Die berühmte Demonstration für die Präsidenten war eine Vorspiegelung falscher Tatsachen gewesen. Es kam auch heraus, dass Whitney während der acht Jahre überwiegend nicht an der

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