Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Musketenbestellung gearbeitet, sondern mit dem Geld weiterhin versucht hatte, für seine Cotton Gin eine Vergütung zu bekommen.
III.
Im Vergleich zu allen Vorgängermaterialien war Baumwolle wunderbar leicht und kühl, dämpfte aber keineswegs den Drang, sich lächerlich zu kleiden, besonders nicht in der Damenwelt. Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts hüllten sich Frauen zunehmend in mehr Kleidung. Das konnten in den 1840er Jahren unter dem Kleid ein knielanges Unterkleid, ein Leibchen, bis zu einem halben Dutzend Unterröcke, ein Korsett und Unterhosen sein, alles nur, wie ein Historiker bemerkte, »um jede Andeutung von Figur so weit wie möglich zu vermeiden«. Dieser garderobenmäßige Aufwand wog oftmals beängstigend schwer; ihren täglichen Pflichten gingen Frauen leicht in achtzehn Kilo Kleidung nach. Wie sie es schafften, auch mal ein menschliches Bedürfnis zu erledigen, ist eine Frage, die Historiker bisher nicht erkundet haben. Krinolinen oder Reifröcke aus Fischbein oder Stahl führte man (wieder) ein, um mit weniger Unterkleidung dennoch zu der gewünschten Form zu kommen, doch während die Last kaum geringer wurde, eröffneten sich viel mehr Möglichkeiten für Missgeschicke. »Man wundert sich, wie beziehungsweise ob überhaupt viktorianische Damen in großer Krinoline durch ein gutbürgerlich möbliertes Wohnzimmer gehen konnten, ohne reihenweise Dinge von den Tischen zu fegen«, schreibt Liza Picard in ihrem Buch Victorian London. In eine Kutsche zu steigen erforderte viel Hin-und-her-überlegen, worauf ein faszinierter Briefeschreiber in einer Epistel nach Hause hinwies: »Unentschlossen, wie sie es anstellen sollte, drehte sich Miss Clara im Kreise wie ein Pfau. Schließlich entschied sie sich für einen kühnen seitlichen Ausfallschritt und enterte die Kutsche, indem sie den Unterrock zusammenquetschte, der sich dann wieder zu seinem ursprünglichen Volumen ausdehnte. Doch als ihre Schwestern auch noch eingestiegen waren, war kein Platz mehr für den Major« (oder einen anderen Begleiter).
Wenn sich die Trägerin einer Krinoline nach vorn beugte um zum Beispiel einen Croquetball zu schlagen —, hob sich das gute Stück ein wenig und bot einen hinreißenden, kurzen Blick auf Rüschenstrümpfe, und jeder halbwegs kluge Mann gab sich galant und sagte: »Nach Ihnen, meine Dame.« Bei zu großem Druck hatten Krinolinen die bestürzende Tendenz, sich wie ein Regenschirm nach außen umzubiegen und nach oben zu stehen. Es gab unzählige Geschichten von Frauen, die, in ungebärdigen Reifen gefangen, nur noch herumtaumeln konnten. Lady Eleanor Stanley hielt in ihrem Tagebuch fest, dass die Herzogin von Manchester stolperte, als sie über einen Zaunübertritt klettern wollte — warum sie das in einer Krinoline versuchte, fragt man sich als halbwegs vernünftiger Mensch allerdings doch —, und dass »die Welt im Allgemeinen und der Duc de Malakoff im Besonderen« ihren schottenkarierten Schlüpfer sehen konnten. Kräftige Windböen sorgten ebenfalls häufig für Verstörung, und Treppen waren eine absolute Gefahr. Doch das größte Risiko war Feuer. »Viele Krinolinenträgerinnen verbrannten, weil sie versehentlich dem Feuer zu nahe gekommen waren«, schreiben C. Willett und Phillis Cunnington in ihrer überraschend ernsten Geschichte der Unterwäsche. Ein Hersteller warb stolz damit, dass seine Krinolinen »keine Unfälle verursachen und nicht bei gerichtlichen Untersuchungen von Todesursachen erwähnt werden«, wobei einem doch ein wenig mulmig werden kann.
Das goldene Zeitalter der Krinolinen war von 1857 bis 1866. Danach ließ man nicht etwa von ihnen ab, weil sie gefährlich und lächerlich waren, sondern weil sie zunehmend von den unteren Klassen getragen wurden und ihre Exklusivität flöten ging. »Heute muss jede Zofe ihre Krinoline haben«, mokierte sich ein Magazin, »und selbst Fabrikmädchen können nicht mehr ohne.« Wenn sich die allerdings mit Krinolinen zwischen den mahlenden Zahnrädern und den schnurrenden Treibriemen der Maschinen bewegten, begaben sie sich in Gefahren, die man sich unschwer ausmalen kann.
Der Abschied von den Krinolinen bedeutete freilich nicht, dass sich das Zeitalter sinnloser Unbequemlichkeit endlich seinem Ende zuneigte. Weit gefehlt, statt der Krinolinen kamen die Korsette, und mörderischere Kleidungsstücke hatte man seit Jahrhunderten nicht getragen. Einige maßgebliche Leute fanden das seltsamerweise erhebend, weil sie aus irgendeinem Grunde
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