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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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darauf hin, dass der Historiker Edward Gibbon im reichen Putney (damals noch bei London) aufwuchs, aber alle seine sechs Geschwister verlor, als diese noch klein waren. Das heißt jedoch nicht, dass Eltern beim Verlust eines Kindes weniger verzweifelt und traurig waren als Eltern heute. Der Tagebuchschreiber John Evelyn und seine Frau hatten acht Kinder und mussten sechs davon begraben. Jedes Mal waren die Eltern untröstlich. »Meines Lebens Freude geht dahin«, schrieb Evelyn schlicht, nachdem sein ältestes Kind 1658 drei Tage nach seinem fünften Geburtstag gestorben war. Der Schriftsteller William Brownlow verlor vier Jahre hintereinander jedes Jahr ein Kind, und es war jedes Mal ein Unglück, das »mich schier zerriss und zutiefst erschütterte«, schrieb er. Doch er und seine Frau mussten noch mehr erleiden:
    Die tragischen Todesfälle wiederholten sich weitere drei Jahre, bis sie keine Kinder mehr hatten.
    Niemand hat den Schmerz, den Eltern empfinden, besser ausgedrückt als Shakespeare. Die folgenden Zeilen sind kurz nach dem Tod seines elfjährigen Sohnes Hamnet verfasst und aus dem Stück König Johann:
    Gram füllt die Stelle des entfernten Kindes, Legt in sein Bett sich, geht mit mir umher, Nimmt seine allerliebsten Blicke an, Spricht seine Worte nach, erinnert mich An alle seine holden Gaben, füllt Die leeren Kleider aus mit seiner Bildung.
    Das sind nicht die Worte eines Vaters, für den Kinder ein Produkt sind, und es gibt keinen Grund zu der Annahme — und keine Beweise —, dass Eltern zu irgendeiner Zeit in der Vergangenheit Glück und Wohlbefinden ihrer Kinder grundsätzlich gleichgültig waren. Dagegen spricht auch der Name des Zimmers, in dem wir uns jetzt befinden.* Das englische Wort für Kinderzimmer, nursery, taucht schriftlich zum ersten Mal 1330 auf und ist seitdem ununterbrochen in Gebrauch. Ein Zimmer, das ausschließlich auf die Bedürfnisse von Kindern zugeschnitten ist, passt ja wohl kaum zu der These, dass Kinder in einer Familie nicht zählten. Auch das Wort für Kindheit, »childhood«, existiert seit über tausend Jahren in der englischen Sprache (den ersten verbürgten Gebrauch finden wir im Evangeliar von Lindisfarne um 950).
    *Wir werden nie erfahren, ob dieses Zimmer jemals ein Kinderzimmer war. Es gehört zu den nachträglichen Änderungen und nicht zu Edward Tulls Plan, in dem es nicht aufgeführt wird. Doch seine bescheidenen Ausmaße und die Lage neben dem großen Schlafzimmer legen den Schluss nahe, dass es als Kinderzimmer und nicht als zusätzliches Schlafzimmer genutzt werden sollte. Was natürlich wieder mal die spannende, aber nicht zu beantwortende Frage aufwirft, welche Hoffnungen und Wünsche der Junggeselle Mr. Marsham wohl hatte.
    Was auch immer die Kindheit gefühlsmäßig für die Menschen bedeutete — als Daseinsform, als Zustand einer eigenen Existenz, ist sie ohne jeden Zweifel uralt. Die Auffassung, dass Kinder ihren Eltern gleichgültig waren oder sie als Wesen für sich kaum existierten, scheint also zuallermindest eine grobe Vereinfachung zu sein.
    Womit ich keineswegs sagen will, dass die Kindheit in der Vergangenheit die lange, sorglose Herumtollerei war, wie wir sie uns heute gern vorstellen. Vom Moment der Empfängnis an war das Leben voller Gefahren. Für Mutter und Kind war natürlich die größte die Geburt selbst. Wenn da was schiefging, konnten Hebammen oder Ärzte kaum noch etwas tun. Ärzte nahmen zudem oft zu Behandlungen Zuflucht, die Leid und Gefahr noch größer machten: Mit der Begründung, die erschöpfte Mutter werde sich entspannen, ließen sie sie zur Ader und werteten es als Erfolg, wenn sie das Bewusstsein verlor; sie hüllten sie in kochend heiße Breiumschläge und entzogen ihr auf alle erdenkliche Weisen ihre schwindenden Reserven an Zuversicht und Energie.
    Nicht selten blieben die Babys stecken. Dann konnten die Wehen drei Wochen und länger dauern, bis Mutter oder Kind oder beide mit den Kräften am Ende und nicht mehr zu retten waren. Starb ein Kind im Mutterleib, waren die Prozeduren, um es herauszubekommen, so grauenhaft, dass ich sie nicht beschreiben will. Es genügt zu erwähnen, dass man Haken benutzte und das Kind in Stücken herauszog. All das bedeutete nicht nur unsägliches Leiden für die Mutter, sondern auch das große Risiko, dass ihr Uterus verletzt wurde, und schlimmer noch, dass sie eine Infektion bekam. Wenn man das bedenkt, staunt man, dass auf hundert Geburten nur ein bis zwei Todesfälle fielen. Weil

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