Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
anzupassen, und damit hatte es sich.«
Es gibt etliche Berichte über Schlachten. In einer am Crecgan Ford (wo der war, weiß man nicht) sollen viertausend Briten gefallen sein, und uns ist natürlich auch so manche Mär von der tapferen Gegenwehr König Artus' und seiner Mannen überliefert. Aber mehr als Mären und Sagen haben wir wiederum nicht. Nichts, was die Archäologie bisher gefunden hat, deutet auf Massenmord oder ganze Bevölkerungen hin, die vor den heranbrausenden Invasoren geflohen sind. Nicht nur waren die Eindringlinge keine mächtigen Krieger, sie waren, soweit man das sagen kann, noch nicht einmal gute Jäger. Alle archäologischen Befunde zeigen, dass sie vom Moment ihrer Ankunft an von Haustieren gelebt und so gut wie nicht gejagt haben. Auch Ackerbau scheinen sie sofort weiterbetrieben zu haben. Nach dem wenigen, was man herausgefunden hat, ist der Übergang so glatt verlaufen wie ein Schichtwechsel in einer Fabrik. Das wiederum kann gar nicht so gewesen sein, aber wie es wirklich war, werden wir wahrscheinlich nie erfahren. Es wurde eine Zeit ohne Geschichte. Britannien war nicht mehr nur am äußersten Zipfel, sondern jenseits der bekannten Welt.
Selbst das, was wir dank der Archäologie wissen, ist oft schwer zu verstehen. Zum Beispiel wollten die Neuankömmlinge offenbar nicht in den römischen Häusern leben, obwohl sie nur hätten zugreifen müssen. Die Häuser waren solide gebaut und weit, weit besser als alles, was sie in der Heimat gehabt hatten. Trotzdem ließen sie die Finger davon und errichteten, oft direkt neben den verlassenen römischen Villen, viel primitivere Bauten. Auch an den römischen Städten hatten sie kein Interesse. Dreihundert Jahre lang stand London großteils leer.
Auf dem Festland hatten die germanischen Völker hauptsächlich in Langhäusern gelebt, einem »klassischen« Bauernhaus, in dem das Vieh am einen und die Menschen am anderen Ende wohnten, aber auch solche Langhäuser bauten sie in den nächsten sechshundert Jahren nicht. Keiner weiß, warum. Stattdessen stellten sie seltsame kleine Hütten in die Landschaft, sogenannte Grubenhäuser, die man von Rechts wegen eigentlich gar nicht als Häuser bezeichnen kann. Ein Grubenhaus bestand nämlich nur aus einer knapp fünfzig Zentimeter tiefen Grube mit schrägen Innenwänden, über der ein kleines Haus errichtet war. In den ersten beiden Jahrhunderten der angelsächsischen Besetzung waren das die zahlreichsten und offenbar wichtigsten neuen Gebäude im Land. Viele Archäologen meinen, dass über die Grube ein Boden gelegt war und sie damit zu einem flachen Keller wurde, dessen Zweck allerdings unklar ist. Die beiden am meisten verbreiteten Theorien besagen, dass man die Gruben zur Vorratshaltung benutzte. Dafür spräche, dass verderbliche Dinge in der kühlen Luft unten weniger schnell verdarben. Zum anderen meint man, dass die Gruben angelegt wurden, um die Luftzirkulation zu verbessern und die Bodenbretter vor dem Verrotten zu bewahren. Doch die Mühe, solche Löcher auszuheben — manche waren sogar aus Felsgestein herausgeschlagen —, steht in krassem Missverhältnis zur eventuellen Verbesserung der Luftzufuhr, und man hält es sowieso für extrem unwahrscheinlich, dass bessere Luftzirkulation dazu beigetragen hätte, dass Vorräte und Bodenbretter sich länger hielten.
Das erste Grubenhaus fand man im Jahre 1921 — erstaunlich spät, wenn man bedenkt, wie viele es gab (das weiß man aber erst jetzt) — bei einer Ausgrabung in Sutton Courtenay, jetzt in Oxfordshire, damals in Berkshire. Der Entdecker war Edward Thurlow Leeds vom Ashmolean Museum in Oxford, und der Anblick, der sich ihm bot, behagte ihm, ehrlich gesagt, nicht. In einer Monografie aus dem Jahr 1936 ereiferte er sich, dass die Menschen, die darin wohnten, »im Grunde wie Eiszeitmenschen in Höhlen hausten« und es darin so schmutzig sei, dass man »es als moderner Mensch gar nicht glauben mag«. Die Leute hätten »in Dreck und Abfall, zerbrochenen Knochen, Essen und Tonscherben gelebt [...] unter Bedingungen, wie man sie sich primitiver gar nicht vorstellen kann. Auf Sauberkeit legten sie offenbar keinerlei Wert, sondern warfen die Reste einer Mahlzeit fröhlich in die entfernteste Ecke der Hütte und ließen sie dort liegen.« Für Leeds waren die Grubenhäuser offenbar ein Verrat an der Zivilisation.
Fast dreißig Jahre lang herrschte diese Ansicht vor, doch dann begannen Fachleute allmählich zu hinterfragen, ob die Menschen
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