Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
wirklich in diesen komischen kleinen Behausungen gewohnt haben. Sie waren winzig — im Allgemeinen nur etwa zwei mal drei Meter — und hätten selbst für den kleinsten Kleinbauern ein extrem enges Hüttchen abgegeben, besonders wenn ein Feuer darin brannte. Doch eigentlich blieb für Menschen gar kein Platz, wenn die Feuerstelle 2,2 Meter einnahm und das Grubenhaus selbst nur 2,8 Meter in der Breite maß. Vielleicht waren also die Grubenhäuser gar keine Wohnhäuser, sondern Werkstätten oder Vorratsschuppen, obwohl die Frage, wozu der unterirdische Teil nötig war, auch dann noch nicht geklärt ist.
Gott sei Dank brachten die Neuankömmlinge, die Engländer, wie wir sie von nun an nennen können, einen zweiten Gebäudetyp mit, von dem es viel weniger gab, der aber letztlich bei Weitem wichtiger wurde. Er war viel größer als ein Grubenhaus, ein schlichtes, scheunenähnliches Gebilde mit einer offenen Feuerstelle in der Mine. Das Wort für diese Art von Haus war im Jahre 410 schon alt und wurde jetzt eines der ersten Worte im Englischen. Die Häuser hießen halls, im Deutschen Hallenhäuser.
In dieser weitgehend leeren, immer verqualmten, riesigen Kammer fand praktisch alles Leben bei Tage und bei Nacht statt. Familie und Gesinde aßen zusammen, schliefen zusammen und kleideten sich zusammen an — »eine Gepflogenheit, die weder der Behaglichkeit noch den Regeln des Anstands förderlich war«, bemerkte J. Alfred Gotch mit einem deutlichen Mangel an Behagen seinerseits in seinem Klassiker Das Entstehen des englischen Hauses im Jahre 1909. Während des gesamten Mittelalters bis weit ins fünfzehnte Jahrhundert hinein war die hall das Haus, ja, es wurde sogar Brauch, komplexere Gebäude so zu nennen, wie die Hardwick Hall oder Toad Hall (aus dem Kinderbuchklassiker Der Wind in den Weiden — in der deutschen Fassung von Harry Rowohlt heißt das Schloss Krötinhall).
Alle unter einem Dach — Diener und unterhaltsbedürftige Bekannte und Verwandte, die Witwen des vorherigen Besitzers und alle anderen fest Dazugehörenden — galten als ein Haushalt. Beim Essen indes nahmen der Hausherr und seine unmittelbare Familie im wahrsten Sinne des Wortes eine Sonderstellung ein. Sie saßen an leicht erhöhter (und möglichst wenig zugiger) Stelle im Hallenhaus auf einer Art Podium — ein Brauch, an den immer noch die high tables in britischen Colleges und Internaten erinnern, die natürlich ein Gespür für alte Traditionen haben oder gern so tun. Der Herr des Hauses, des »hus«, war der huseband, der Haushälter oder Hausbesitzer, aus dem im Englischen, wie bekannt, viel, viel später der husband, der Ehemann, wurde.
Selbst die feinsten Häuser hatten nur drei oder vier Bereiche im Inneren: die Halle selbst, eine Küche und vielleicht eine oder zwei Seitenkammern, in die sich der Haushaltsvorstand zurückziehen konnte, um private Dinge zu erledigen. Im neunten, zehnten Jahrhundert gab es dann auch Kapellen, die aber ebenso sehr für Geschäftliches wie für Gottesdienste benutzt wurden. Manchmal wurde auf diese Privaträume noch ein weiteres Stockwerk gesetzt, das man über eine Leiter oder primitive Treppe erreichte. Diese Räume waren kaum mehr als Vorratskammern, von Zimmern im modernen Sinn noch weit entfernt. Die Menschen dachten in der Tat so wenig an die Aufteilung eines Hauses in abgeschlossene Bereiche, dass das betreffende Wort room dafür im Englischen erst für die Tudorzeiten verbürgt ist, also vom fünfzehnten Jahrhundert an.
Die Gesellschaft bestand, grob gesagt, aus Freien, Leibeigenen und Sklaven. Beim Tode eines Leibeigenen hatte der Herr das Recht, einen kleinen persönlichen Gegenstand, wie zum Beispiel ein Kleidungsstück, als eine Art Erbschaftssteuer zu verlangen. Oft besaßen Bauern nur ein Kleidungsstück, eine Art losen Kittel mit dem Namen cotta. Dass diese cotta das Beste war, was ein Hauer zu geben hatte, und der Grundherr sie sich nehmen konnte, besagt eigentlich alles, was man über das Verhältnis der Stände im Mittelalter wissen muss. Die Leibeigenschaft war eine unauflösbare Bindung an einen bestimmten Grundherrn, und man verpflichtete sich dazu im Namen Gottes, was mehr als ein paar Nachkommen bekümmert haben muss, denn wenn einmal eine Leibeigenschaft eingegangen worden war, galt sie auf ewig für alle Kinder und Kindeskinder des Leibeigenen. Das Schlimmste war, dass sie den Betroffenen die Freiheit nahm, woanders hinzuziehen oder außerhalb des Gutes zu heiraten. Sie konnten
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