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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Neuankömmlinge aus Angeln, Sachsen und Jüten bestanden, doch wer genau sie waren und in welcher Beziehung sie zueinander standen, erfahren wir nicht.
    Die Jüten sind ein vollkommenes Rätsel. Gemeinhin nimmt man an, dass sie aus Dänemark kamen, weil es dort eine Provinz namens Jütland gibt. Doch der Historiker F. M. Stenton wies darauf hin, dass Jütland seinen Namen lange nach dem Weggang der Jüten erhielt, und ein Gebiet nach einem Volk zu benennen, das gar nicht mehr dort ist, wäre schon sehr ungewöhnlich. Aber wie dem auch sei, Jótar, das altnordische Wort, von dem Jütland stammt, hat nicht notwendigerweise, ja nicht einmal plausibel, etwas mit einer Gruppe oder einem Stamm zu tun. Beda erwähnt im Übrigen als Einziger die Jüten, und auch nur einmal und nie wieder. Manche Forscher glauben sogar, dass die Erwähnung eine Hinzufügung von späterer Hand ist und gar nicht von Beda stammt.
    Die Angeln sind kaum weniger obskur. Da sie von Zeit zu Zeit in europäischen Texten erwähnt werden, können wir wenigstens davon ausgehen, dass sie existierten. Doch nichts deutet darauf hin, dass sie sonderlich relevant waren. Falls sie gefürchtet oder bewundert wurden, dann eher im kleinen Kreis. Deshalb ist es höchst ironisch, dass ihr Name mehr oder weniger zufällig an einem Land hängen blieb, zu dessen Entstehung sie keineswegs viel beigetragen haben.
    Damit bleiben nur die Sachsen, die sich ohne jede Frage auf dem europäischen Kontinent herumtummelten — davon legen noch im heutigen Deutschland Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie die Sachsen-Coburgs und ihresgleichen Zeugnis ab —, aber sich offenbar durch nichts hervortaten. Das Beste, was Stenton über sie sagen kann, ist, dass sie der »am wenigsten dubiose« der drei genannten Stämme waren und im Vergleich zu den Goten, die Rom plünderten, oder den Wandalen, die über Spanien herfielen, keine besondere Rolle spielten. Allem Anschein nach wurde Britannien nicht von Kriegern, sondern von Bauern erobert.
    Außer ihrer Sprache und DNA brachten sie kaum etwas Neues mit. Nichts an ihrem technischen Entwicklungsstand oder ihrer Lebensweise bot auch nur die geringste Verbesserung gegenüber dem, was es schon gab. Beliebt können sie nicht gewesen sein, großen Eindruck auch nicht gemacht haben. Doch aus irgendeinem Grunde hatten sie einen so tiefgreifenden Einfluss, dass heute, mehr als eineinhalb Jahrtausende danach, vieles von ihrer Kultur noch in der britischen zu finden ist. Wie zum Beispiel, dass die Engländer zwar nichts über ihren Glauben wissen, aber immer noch drei ihrer Götter,Tyr,Wotan und Thor, mit den Namen ihrer drei mittleren Wochentage Tuesday, Wednesday und Thursday ehren. An Odins Frau Frigg wird jeden Freitag, Friday, erinnert. Das ist doch ganz schön nachhaltig.
    Die Neuankömmlinge löschten die bestehende Kultur einfach aus. Die Römer waren exakt 367 Jahre in Britannien gewesen und die Kelten mindestens eintausend, doch jetzt war es, als hätten beide nie existiert. So etwas geschah nirgendwo sonst. In Gallien und auf der Iberischen Halbinsel ging das Leben nach dem Abzug der Römer im Großen und Ganzen weiter wie zuvor. Die Bewohner hielten an ihrer Version des Vulgärlateins fest, das sich schon zum modernen Französisch und Spanisch entwickelte, die Regierung blieb, die Geschäfte blühten, Münzen blieben im Umlauf, die Strukturen der Gesellschaft intakt. In Britannien aber hinterließen die Römer kaum fünf Worte und die Kelten nicht mehr als zwanzig, meist geografische Namen, die für Britannien typische landschaftliche Merkmale bezeichneten.
    Nach dem Abzug der Römer flohen ein paar Kelten nach Frankreich und gründeten die Bretagne. Andere kämpften und wurden erschlagen oder versklavt. Doch die meisten scheinen die Invasion akzeptiert und ihr Leben nach dem Motto »Pech gehabt!» den neuen Bedingungen angepasst zu haben. »Große Gemetzel und Blutvergießen waren vielleicht gar nicht nötig«, erzählte mir einmal mein Freund Brian Ayers, der schon genannte ehemalige Grafschaftsarchäologe von Norfolk, als wir das Feld hinter meinem Haus betrachteten. »Wahrscheinlich schaute man eines Tages auf sein Feld und sah, dass dort zwanzig Leute campierten, und langsam dämmerte es einem, dass sie nicht mehr verschwinden, sondern einem das Land wegnehmen würden. Sicher, ein paar blutige Zusammenstöße gab es hier und dort, doch insgesamt, glaube ich, lernten die Menschen, sich den dramatisch veränderten Lebensumständen

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