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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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selben Ort geschlafen hätte. Bis weit ins siebzehnte Jahrhundert hinein bedeutete im

    Glas Champagner, zwei Gläsern Portwein und einem Glas Kognak« — und das nahm er zu sich, als er ein wenig angeschlagen war. Pastor Sydney Smith, obgleich Geistlicher, sagte deutlich etwas über den Geist der Zeit, als er sich mit folgenden Worten weigerte, das Tischgebet zu sprechen: »Wenn man sich einer orgiastischen Lust hingeben will, scheint es mir höchst ungehörig zu sein, kurz vorher noch einem religiösen Gefühl Ausdruck verleihen zu wollen. Welch eine Verwirrung des Zwecks, das Lob Gottes aus einem Mund auszusprechen, in dem einem das Wasser zusammenläuft.«
    Mitte des neunzehnten Jahrhunderts waren überall enorme Portionen üblich. Mrs. Beeton schlug folgendes Menü für eine kleine Dinnerparty vor: Falsche Schildkrötensuppe, Steinbuttfilets in Sahnesauce, Seezunge in Anchovissauce, Kaninchen, Kalbfleisch, geschmortes Rumpsteak, gebratenes Geflügel, Kochschinken, eine Platte mit gebratenen Tauben oder Lerchen und zum Abschluss Rhabarbertörtchen, Baiser, Götterspeise, Sahne, Eispudding und ein Soufflee. Das Ganze für sechs Personen.

Drittes Kapitel
    Die Eingangshalle
    I.
    Kein Raum ist im Laufe der Jahrhunderte in seiner Bedeutung tiefer gesunken als die Eingangshalle. Heute putzt man sich dort die Schuhe ab und hängt die Mütze auf, doch einst war es der wichtigste Raum im ganzen Haus. Ja, lange Zeit war die Halle das Haus. Um zu erzählen, wie es dazu kam, muss ich auf die frühen Anfänge Englands vor eintausendsechshundert Jahren zurückgehen, als ganze Bootsladungen voller Menschen vom europäischen Festland anlandeten und auf absolut mysteriöse Weise alles übernahmen. Wir wissen erstaunlich wenig darüber, wer diese Leute waren, und das bisschen, was wir wissen, ergibt oft keinen Sinn. Doch mit ihnen beginnt die Geschichte Englands und des modernen Hauses.
    Normalerweise wird es ja immer so geschildert, als sei es völlig unkompliziert gewesen: Im Jahre des Herrn 410 brach das Römische Reich zusammen, die Römer zogen sich konfus und in großer Eile von den Britischen Inseln zurück, und germanische Stämme — die Angeln, die Sachsen und Jüten aus tausend Schulbüchern — kamen in Scharen und nahmen ihren Platz ein. Doch alles deutet darauf hin, dass es ganz so nicht war.
    Erstens kamen die Invasoren nicht in Scharen. Nach manchen Schätzungen kamen in den hundert Jahren nach dem Rückzug der Römer womöglich nicht mehr als zehntausend Fremde nach Britannien — im Durchschnitt also gerade mal hundert Menschen pro Jahr. Die meisten Historiker halten diese Zahl für viel zu niedrig, mit gesicherten Angaben können sie aber auch nicht aufwarten. Und überhaupt, es kann auch keiner sagen, wie viele einheimische Briten da waren, um die Invasoren freundlich oder unfreundlich zu begrüßen. Die Zahlen schwanken zwischen 1,5 und fünf Millionen — schon das allein zeigt, wie wenig über die Periode bekannt ist, mit der wir es zu tun haben. Beinahe sicher scheint nur zu sein, dass die Eindringlinge denen, die sie eroberten, zahlenmäßig weit unterlegen waren.
    Warum die besiegten Briten weder die Mittel noch den Mumm besaßen, sich effizienter zur Wehr zu setzen, ist schlicht unerklärlich. Schließlich gaben sie eine Menge auf. Fast vier Jahrhunderte lang hatten sie zur mächtigsten Zivilisation auf Erden gehört und deren Wohltaten genossen — fließendes Wasser, Zentralheizung, gute Verkehrswege, vernünftige Regierungen, heiße Bäder. Ihre ungehobelten Eroberer aber kannten dergleichen nicht und freundeten sich auch nicht damit an. Wie indigniert die Einheimischen waren, als sie feststellen mussten, dass sie von analphabetischen, ungewaschenen Heiden aus den waldigen Rändern Europas überrollt wurden, kann man sich leicht denken. Doch ändern ließ es sich nicht. Unter der neuen Herrschaft gaben sie fast alle materiellen Annehmlichkeiten auf und bekamen sie tausend Jahre lang nicht wieder.
    Es war die Zeit der Völkerwanderung, als überall ganze Stämme — die Hunnen, Wandalen, Goten, Westgoten, Ostgoten, Ungarn, Franken, Angeln, Sachsen, Dänen, Alemannen und viele mehr — eine seltsame, offenbar unstillbare Rastlosigkeit an den Tag legten, wie eben auch die Eindringlinge, die nach Britannien kamen. Den einzigen uns erhaltenen schriftlichen Bericht über das Geschehen hat ein Mönch namens Beda, der Ehrwürdige, dreihundert Jahre später verfasst. Beda erzählt uns, dass die

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