Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Besitztümern seine Auffahrt heraufkamen. Und er musste diese große Anzahl von Menschen nicht nur ernähren und unterbringen, sondern auch noch eine Privatarmee unterhalten, um für deren Sicherheit zu sorgen. Die Kosten und der emotionale Druck sorgten dafür, dass seine Ehe mit Bess nie sonderlich glücklich war — aber das wäre Nie wohl ohnehin nicht geworden. Bess' Verschleiß an Männern war eher hoch; Shrewsbury war ihr vierter Gatte und ihre Ehe mit ihm mehr ein geschäftlicher Zusammenschluss als eine Herzensbindung. Sie beschuldigte ihn schließlich sogar, eine Affäre mit der schottischen Königin zu haben — ob berechtigt oder nicht, ein gefährlicher Vorwurf! —, und sie trennten sich. Dann ließ Bess eines der großen Häuser der Zeit erbauen.
Als sich das Leben immer tiefer in immer größere Häuser zurückzog, verlor unsere alte hall ihren ursprünglichen Zweck und wurde eine Eingangshalle mit einem Treppenaufgang, ein Raum, in dem man empfangen wird und durch den man zu wichtigeren Räumen geht. So war das auch in der Hardwick Hall — trotz ihres Namens. Alle wichtigen Räume sind dort in den oberen Stockwerken. Die ursprüngliche hall war nichts Besonderes mehr. Schon 1663 bezeichnete das Wort nur noch einen beliebigen bescheidenen Raum, besonders aber den Eingangsbereich. Ganz im Gegensatz dazu wurde gleichzeitig der ursprüngliche Sinn bewahrt, ja, sogar noch ausgedehnt, um große, wichtige Gebäude, besonders öffentliche, zu benennen, wie zum Beispiel die Carnegie Hall oder die Royal Albert Hall.
Im Privathaus jedoch bleibt die hall der semantisch am meisten degradierte Raum. In unserem alten Pfarrhaus ist sie wie in den meisten Häusern heute ein geschrumpfter, kleiner Vorraum, mit praktischen Schränkchen und Haken, wo wir die Schuhe ausziehen und unsere Jacken aufhängen.
Und so eingestimmt legen wir unsere Garderobe ab und treten endlich in das Zimmer, das der wahre Mittelpunkt des Hauses ist.
Viertes Kapitel
Die Küche
I.
Im Sommer 1662 lud Samuel Pepys, ein aufstrebender junger Mann im britischen Flottenamt, seinen Boss Peter Pett, Kommissar selbstdort, zum Abendessen in sein Haus in der Seething Lane ein, unweit des Towers in London. Pepys war neunundzwanzig Jahre alt und wollte wahrscheinlich einen guten Eindruck bei seinem Vorgesetzten machen. Doch als man ihm seinen Teller mit Stör vorsetzte, sah er bestürzt und voller Grausen, dass »viel kleines Gewürm darin herumkreuchte«.
Dass das Essen, das einem serviert wurde, sehr lebendig sein konnte, war zwar selbst zu Pepys' Zeiten nicht alltäglich — es war ihm also wirklich peinlich —, doch hinsichtlich Frische und Reinheit ließ man tunlichst immer einen Hauch Misstrauen walten. Waren die Speisen wegen unzureichender Konservierung auch nicht im Zustand fortschreitender Verwesung, bestanden zumindest gute Chancen, dass sie mit gefährlichen und unappetitlichen Substanzen gefärbt oder gestreckt waren.
Fast nichts, scheint es, war vor den üblen Tricks der Lebensmittelpanscher gefeit. Zucker und andere teure Ingredienzen wurden oft mit Gips, Kalk, Sand, Staub oder anderem gestreckt, Butter mit Talg und Schmalz aufgepeppt. Ein Liebhaber feinen Tees konnte, nichts Böses ahnend, das Getränk mit zugemischten Sägespänen und pulverisiertem Schafsdung brauen. Judith Flanders berichtet, dass bei einer gründlich untersuchten Schiffsladung Tee zutage kam, der aus gerade mal einer guten Hälfte aus ebendem bestand, ansonsten jedoch aus Sand und Schmutz. Um Essig schön scharf zu machen, fügte man ihm Schwefelsäure hinzu, Milch wurde mit Kreide vermischt, Gin mit Terpentin. Mit Kupferarsenit wurden Gemüse grüner und Gelees glänzend. Bleichromat verlieh Backwaren einen goldenen Schimmer und Senf strahlende Frische. Bleizucker machte Getränke süßer, und Mennige schenkte Gloucesterkäse ein schöneres Aussehen, wenn auch nicht mehr Nährwert.
Anscheinend gab es wirklich kein Nahrungsmittel, das man nicht mit einer Prise List und Tücke aufbessern und für den Händler kostengünstiger machen konnte. Der schottische Schriftsteller und Dichter Tobias Smollett berichtete, dass Kirschen taufrisch schimmerten, wenn der Verkäufer sie sanft ein wenig im Mund herumwälzte, bevor er sie feilbot. Wie viele arglose Damen von Rang und Namen, überlegte Smollett weiter, verspeisten wohl genüsslich einen Teller mit knackigen Kirschen, die vorher »ein Höker aus St. Giles zwischen seinen schmutzigen und vielleicht eitrigen Lefzen
Weitere Kostenlose Bücher