Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
solche Mühe kosten würde.« Womit sie ihrer Leserschaft auch noch gleich ein schlechtes Gewissen machte.
Trotz des Titels Das Buch der Haushaltsführung prescht das Werk durch dieses Thema auf gerade einmal dreiundzwanzig Seiten, während es sich auf den nächsten neunhundert Seiten lang und breit dem Kochen widmet. Dabei kochte Mrs. Beeton ja auch nicht gern und setzte, sofern es sich nur irgend vermeiden ließ, offenbar keinen Fuß in ihre eigene Küche. Um diesen Eindruck zu gewinnen, muss man nur ein paar ihrer Rezepte lesen — zum Beispiel den Vorschlag, Nudeln eine Eindreiviertelstunde lang zu kochen, bevor man sie servierte. Wie viele ihres Volkes und ihrer Generation hegte sie ein angeborenes Misstrauen gegenüber allem Exotischen: Mangos äße nur, »wer auch nichts gegen Terpentin« habe; Hummer sei »im Grunde unverdaulich« und »nicht von solchem Nährwert, wie stets behauptet«, Knoblauch »widerwärtig«. Kartoffeln wiederum solle man »mit Vorsicht genießen; viele sind suchterregend und manche schädlich«. Käse fand die Dame nur für Leute bekömmlich, die viel sitzen — warum, sagte sie nicht —, und dann auch nur in »sehr kleinen Mengen«. Fernhalten solle man sich aber insbesondere von Käse mit Adern, denn das seien Pilzwucherungen. »Ganz allgemein«, fügte Mrs. Beeton einen Hauch uneindeutig hinzu, »sind verwesende Dinge keine gesunde Nahrung, und irgendwo muss man eine Grenze ziehen.« Am allerschlimmsten traf es übrigens die Tomate: »Die ganze Pflanze hat einen unangenehmen Geruch, und wenn man ihren Saft dem Wirken des Feuers aussetzt, verdampft er mit einem mächtigen Schwall, der Schwindel und Erbrechen verursacht.«
Mrs. Beeton scheint das Eis als Konservierungsmittel nicht gekannt zu haben, doch wir können davon ausgehen, dass sie es nicht gemocht hätte, weil sie generell was gegen kalte Speisen hatte. »Alte, empfindliche Menschen und Kinder sollten weder Isis noch kalte Getränke zu sich nehmen«, schrieb sie. »Man sollte sich ihrer auch enthalten, wenn einem sehr warm ist oder unmittelbar nach heftiger Betätigung im Freien, denn in manchen Fällen waren tödlich verlaufende Krankheiten die Folge.« Zahllose Nahrungsmittel und Aktivitäten hatten nach Mrs. Beetons Meinung tödliche Konsequenzen.
Obwohl sie so matronenhaft daherkam, war sie erst dreiundzwanzig, als sie mit dem Buch begann. Sie schrieb es für denVerlag ihres Gatten, in dem es ab 1859 in dreiunddreißig monatlichen Fortsetzungen und zwei Jahre später, 1861, in einem Band veröffentlicht wurde. Übrigens hatte Samuel Beeton schon eine schöne Stange Geld mit Onkel Toms Hütte verdient, das in Großbritannien eine ebensolche Sensation war wie in den Vereinigten Staaten. Er gründete auch einige populäre Zeitschriften, unter anderem 1852 das Englishwoman's Domestic Magazine mit vielen Neuerungen wie einer Lebenshilfe-Ratgeber-Rubrik, einer Gesundheitskolumne und Schnittmustern.
Fast allem in Beetons Haushaltsführung merkte man an, dass es hastig zusammengehudelt worden war. Die Rezepte kamen zum Großteil von den Leserinnen und Lesern, und fast der gesamte Rest war sonst irgendwo abgekupfert. Die Dame stahl ungeniert aus den offensichtlichsten und leicht zu überprüfenden Quellen. Ganze Passagen sind wörtlich aus der Autobiografie Florence Nightingales gemopst, andere ohne viel Federlesens von Eliza Acton. Erstaunlicherweise passte Mrs. Beeton nicht einmal das Geschlecht der beklauten Autoren an, so dass ein, zwei ihrer Geschichten mit einer Stimme erzählt werden, die, verwirrend und irritierend, nur männlich sein kann. Darüber hinaus ist das Ganze völlig unausgewogen. Sie räumt der Zubereitung von Schildkrötensuppe mehr Seiten ein als Frühstück, Lunch und Abendessen zusammen; den englischen Nachmittagstee erwähnt sie nie. Man findet die fantastischsten Widersprüche. Auf derselben Seite, auf der sie lang und breit die gefährlichen Mängel der Tomate erläutert (»man hat festgestellt, dass sie eine bestimmte Säure, ein ätherisches Öl, eine braune, stark duftende, harzige Substanz, eine pflanzlich-mineralische Substanz, Mucosaccharin, Salze und höchstwahrscheinlich ein Alkaloid enthält«), bringt sie ein Rezept für gedünstete Tomaten, die sie eine »köstliche Beilage« nennt, und plappert dann weiter: »Es ist eine gesunde Frucht und leicht verdaulich. Ihr Wohlgeschmack regt den Appetit an und wird fast allenthalben geschätzt.«
Trotz seiner mannigfachen Eigentümlichkeiten war
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