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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Tonnen.
    Vor den »Eiszeiten« war Milch (die natürlich warm aus der Kuh kam) bei Hitze nur ein, zwei Stunden trinkbar, dann wurde sie sauer. Hühnchen mussten an dem Tag, an dem man sie rupfte, gegessen werden. Frischfleisch war selten länger als einen Tag genießbar. Jetzt aber konnte man Lebensmittel sowohl am Ort frisch halten wie auch auf entfernten Märkten verkaufen. 1842 bekam Chicago seinen ersten Hummer; er wurde in einem gekühlten Güterwagen von der Ostküste gebracht. Die Chicagoer bestaunten ihn, als sei er von einem fernen Planeten. Zum ersten Mal in der Geschichte mussten die Lebensmittel nicht mehr in der Nähe dessen, wo man sie erzeugte, verzehrt werden. Und die Farmer der endlosen Ebenen des amerikanischen Mittleren Westens, die Lebensmittel nicht nur billiger und in größeren Massen als überall sonst produzierten, konnten sie jetzt auch fast überallhin verkaufen.
    Andere Entwicklungen verbesserten die Möglichkeiten zur Lebensmittellagerung ebenfalls. 1859 löste ein Amerikaner namens John Landis Mason das Problem, das der Franzose François (oder Nicolas) Appert länger als ein halbes Jahrhundert lang nicht in den Griff bekommen hatte. Mason ließ das Gewindeglas mit metallenem Schraubdeckel patentieren. Damit konnte man jetzt das Innere perfekt versiegeln und alle möglichen Lebensmittel konservieren, die bis dato verdorben wären. Das Masonglas wurde allenthalben ein großer Hit, obwohl Mason selbst kaum etwas davon hatte. Er verkaufte die Rechte daran für eine bescheidene Summe und wandte sich dann anderen, wie er meinte, aussichtsreicheren Erfindungen zu — einem faltbaren Rettungsfloß, einer Kiste, in der Zigarren nicht austrockneten, einer Seifenschale, aus der das Wasser abfloss. Doch damit hatte er nicht nur keinen Erfolg, sondern sie waren auch nicht besonders gut. Als es mit einer nach der anderen nicht klappte, zog er sich in milde Demenz und Armut zurück und starb einsam und vergessen in einer New Yorker Mietskaserne.
    Eine andere und letztlich erfolgreichere Methode zum Haltbarmachen von Lebensmitteln, nämlich in Metallkonserven, wurde zwischen 1810 und 1820 in England von einem Mann namens Bryan Donkin perfektioniert. Doch die ersten Behälter waren aus Schmiedeeisen, deshalb schwer und praktisch nicht zu öffnen. Bei einem Konserventyp lieferte man die Anweisung, wie sie mit Hammer und Meißel zu öffnen seien, gleich mit. Soldaten attackierten sie vorzugsweise mit dem Bajonett oder beschossen sie mit Kugeln. Damit aus der Erfindung was wurde, musste man auf die Entwicklung leichterer Materialien warten, um dann die Dosen auch in Massen produzieren zu können. Während zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts ein Arbeiter — wenn er sich ranhielt — ungefähr sechzig Dosen am Tag herstellen konnte, warfen im Jahre 1880 Maschinen täglich eintausendfünfhundert aus. Nur das Öffnen blieb noch sehr lange ein Riesenproblem. Verschiedene Geräte wurden patentiert, doch leicht zu handhaben war keines und manches hochgefährlich, wenn es abrutschte. Der sichere moderne Dosenöffner — der mit den beiden Rädern und dem Drehknebel — stammt erst aus dem Jahr 1925.
    Die Neuerungen in der Lebensmittelkonservierung waren Teil einer viel breiteren Umwälzung in der Landwirtschaft. Die Mähmaschine von McCormick erlaubte die Massenproduktion von Getreide, was in den Vereinigten Staaten zur Folge hatte, dass man Vieh in industriellem Maßstab halten konnte. Das führte zur Entstehung großer Fleisch verarbeitender Zentren und verbesserter Methoden der Kühlung, und hier blieb das Eis bis weit in moderne Zeiten wichtig. Noch 1930 gab es in den Vereinigten Staaten 181000 Kühlwaggons, die mit Eis betrieben wurden.
    Die Möglichkeit, dass man plötzlich Lebensmittel rund um den Globus transportieren konnte, veränderte die Landwirtschaft in den unterschiedlichsten Ländern. Weizen aus Kansas, Rindfleisch aus Argentinien, Lammfleisch aus Neuseeland und andere Leckerbissen von überall aus der Welt tauchten Tausende von Meilen entfernt auf den Esstischen auf. Die Folgen für die traditionelle Landwirtschaft waren enorm. Man muss nicht weit in einen Wald in Neuengland stapfen, um die gespenstischen Grundmauern verlassener Bauernhäuser und alte Feldmauern zu sehen. In der ganzen Region verließen die Farmer im neunzehnten Jahrhundert massenhaft ihre Höfe, entweder, um in Fabriken zu arbeiten, oder, um ihr Glück auf besserem Land weiter westwärts zu suchen. In einer Generation verlor

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